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Fonds-News KW 38 | 17.09.2024
Chinas Aktienmarkt – der taumelnde Riese
Die chinesischen Elektroautos lehren den europäischen Autoherstellern das Fürchten, Online-Plattformen wie Temu, Shein & Co überschwemmen die westliche Welt mit Billigwaren, und was macht der chinesische Aktienmarkt? Er schwächelt seit Jahren dahin und scheint nicht in Fahrt zu kommen. Was sind die Hintergründe für das schlechte Abschneiden von chinesischen Aktien und lohnt sich ein Einstieg?
China im Abwärtstrend
Der Kursverfall am chinesischen Aktienmarkt scheint kein Ende zu nehmen. Letzte Woche beendete der Index CSI 300 (China Securities Index 300) seinen Handel auf dem niedrigsten Stand seit Jänner 2019. Seit seinem Jahreshoch Mitte Mai hat der Index mittlerweile über 10 % an Wert verloren. Damit steuert er auf das vierte Verlustjahr in Folge zu. Die Kursverluste sind Ausdruck dafür, dass das Vertrauen der Investoren in die wirtschaftliche Erholung der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft schwindet. So hat etwa Anfang September die Investmentbank JP Morgan Kaufempfehlungen für China-Aktien zurückgezogen und begründete den Schritt mit einer erhöhten Volatilität im Hinblick auf die bevorstehenden US-Wahlen, dem Gegenwind für die Konjunktur und die laue Unterstützung durch die Politik in Peking.
Schwache Inlandsnachfrage und sinkende Preise
Während die Inflation in den meisten großen Volkswirtschaften ein dominierendes Problem bleibt, kämpft China mit der Gefahr von fallenden Preisen (Deflation). Im August stiegen Chinas Verbraucherpreise zwar um 0,6%, aber ein genauerer Blick zeigt, dass der Anstieg hauptsächlich auf gestiegene Lebensmittelpreise zurückzuführen ist. Die sogenannte Kerninflation, die volatile Posten wie Lebensmittel und Energie ausklammert, erreichte im August den niedrigsten Stand seit über drei Jahren. Dies deutet darauf hin, dass der Preisdruck in vielen Teilen der chinesischen Wirtschaft nachlässt, was auf eine deflationäre Tendenz hinweist. Die Deflation birgt erhebliche Risiken für die chinesische Wirtschaft. Sinkende Preise könnten dazu führen, dass Haushalte ihre Ausgaben weiter reduzieren, in der Erwartung, dass die Preise noch weiter fallen. Dieser Rückgang der Konsumnachfrage hätte schwerwiegende Auswirkungen auf Unternehmen, die mit sinkenden Einnahmen und damit verbundenen Gehaltskürzungen und Entlassungen konfrontiert wären. Die Gefahr eines Teufelskreises, in dem sinkende Einkommen zu geringeren Ausgaben führen und das Wirtschaftswachstum weiter verlangsamen.
Verschuldung und Immobilienkrise
Ein weiteres Problem ist die Verschuldung, insbesondere auf kommunaler Ebene. In den letzten Jahren haben lokale Verwaltungen in großem Umfang Kredite aufgenommen, um Infrastrukturprojekte und andere Investitionen zu finanzieren. Doch viele dieser Investitionen haben nur begrenzten wirtschaftlichen Nutzen gebracht. Die sinkenden Preise verschärfen dieses Problem, da die Verschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung weiter zunimmt.
Die Immobilienkrise belastet die gesamte Wirtschaft erheblich. Der Immobiliensektor trägt ungefähr ein Fünftel zur chinesischen Wirtschaftsleistung bei. Doch seit die Immobilienpreise und die Nachfrage zurückgegangen sind, fehlt den großen Immobilienentwicklern Evergrande, Country Garden & Co das Geld, um ihre Gläubiger zu bedienen oder bereits zugesagte Projekte fertig zu bauen und eine schnelle Lösung des Problems ist nicht in Sicht.
Geopolitische Handelskonflikte und Demografie
Unabhängig davon, ob Kamala Harris oder Donald Trump die US-Wahl gewinnen wird, der Handelskrieg mit China geht jedenfalls in die Verlängerung. Kamala Harris hat angekündigt, Hightech-Exporte nach China weiter zu beschränken und die Zölle in Höhe von 100 % auf chinesische Elektroautos beizubehalten. Donald Trump plant zusätzlich sogar neue Strafzölle von bis zu 60 % auf alle importierten Waren aus China zu erheben.
Auch die EU hat Anfang Juli vorläufige Strafzölle für Elektroautos in Höhe von bis zu 36,3 % aus China angekündigt. Offiziell eingeführt werden sie jedoch erst später. Einer Kommissionsmitteilung im August zufolge könnten die Zusatzzölle spätestens Ende Oktober in Kraft treten und für fünf Jahre gelten.
Und neben diesen „Handelskriegen“ und geopolitischen „Auffassungsunterschieden“ (Taiwanfrage, Umgang mit Russland usw.) wäre da auch noch das Problem der alternden Bevölkerung und dem deutlichen Rückgang der Geburtenrate in China, Nachwehen der jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik. Dies führt zu einer langfristig schrumpfenden Arbeitskräftebasis und steigenden Sozialausgaben für die ältere Bevölkerung.
Totgeglaubte leben länger - Phönix aus der Asche?
Trotz aller Probleme ist und bleibt die Volksrepublik aber ein wichtiger Handelspartner des Westens. Chinas wirtschaftlicher Wandel in den vergangenen 40 Jahren hatte enorme Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Jetzt will das Land mit dem ehrgeizigen Wirtschaftsprogramm „Made in China 2025“ die globale Nummer 1 im Technologiesektor werden. Dafür hat die chinesische Regierung Schlüsselindustrien definiert, die für die Entwicklung besonders wichtig sind, Beziehungen zu Entwicklungsländern ausgebaut und mit dem Projekt „Neue Seidenstraße“ ein logistisches Fundament für Import und Export gelegt. Am Beispiel der Elektroautos wird zugleich deutlich, wie stark sich das Bild in den letzten zehn Jahren gewandelt hat. Von der billigen Werkbank der Welt, deren Exporte zumeist sehr willkommen waren, ist China gerade in vielen Zukunftstechnologien (Batterien, Elektroautos, Solarpaneele usw.) inzwischen zum handfesten Konkurrenten oder gar Weltmarktführer geworden.
Auch die Unternehmen bemühen sich, Vertrauen zurückzugewinnen. Immer mehr chinesische Unternehmen fokussieren sich auf die Steigerung der Profitabilität. Seit geraumer Zeit kann man einen Anstieg der Dividendenausschüttungen sowie steigende Aktienrückkäufe beobachten. Alles Maßnahmen, die als Indiz für eine steigende Aktionärsfreundlichkeit angesehen werden können.
Und nicht zuletzt preisen die aktuellen Aktienkurse ein äußert pessimistisches Szenario für China ein. Platz für positives Überraschungspotenzial ist somit reichlich vorhanden.
Fazit
Selbst langjährige China-Bullen werfen allmählich das Handtuch. Möglicherweise sind wir am Punkt des maximalen Pessimismus angelangt, und wenn der Pessimismus maximal ist, reichen oft geringfügige positive Überraschungen aus, um an den Finanzmärkten deutliche Preissprünge zu verursachen. Die fundamentalen Daten sprechen derzeit für eine deutliche Unterbewertung etlicher chinesischer Aktien. Diese könnte sich rasch durch steigende Kurse auflösen, falls es zu einer Entspannung bei den Handelskonflikten kommt. Die (politischen) Risiken sind nicht von der Hand zu weisen, aber es könnte sich lohnen, einen Blick auf den chinesischen Aktienmarkt zu werfen.
MH
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