„Mein Tipp an alle Frauen: Macht eure gute Arbeit sichtbar!“

Guten Tag Frau Kohler, vielen Dank, dass Sie mit uns und unseren Leser:innen Ihre Erfahrungen teilen! Können Sie bitte einen Moment in Ihrem Leben beschreiben, in dem Ihnen bewusst wurde, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit und Sicherheit für Sie als Frau ist?

Katrin Kohler: Einen speziellen Moment gibt es dafür bei mir eigentlich nicht. Meine Eltern haben mir schon sehr früh beigebracht, dass ich für mich selbst und für meine Einnahmen verantwortlich bin. Meine Mutter hatte immer ihr eigenes Konto und war – beziehungsweise ist immer noch – stolz darauf! Auch das hat mich geprägt.

Weshalb Sie dann auch früh ihr eigenes Geld verwalten wollten?

Die Autonomie über mein eigenes Geld zu haben, empfinde ich als essenziell, besonders als Frau. Es ermöglicht mir, unabhängige Entscheidungen zu treffen, ohne Rechtfertigungen ablegen zu müssen.

Sie sind Leiterin im Bereich Private Banking für Privatvermögen. Welche Herausforderungen sind Ihnen speziell als Frau im Bereich der Finanzen begegnet?

Mein erster Chef wollte mich nach meiner Junior-Ausbildung unbedingt fest anstellen – aber nicht etwa als Beraterin, sondern als seine Assistentin. Erst auf Anraten einer Kollegin wagte ich den Schritt, eine Position als Beraterin anzustreben. Frauen müssen lernen, selbstbewusst ihre Fähigkeiten zu kommunizieren.

Sie haben diese Ausbildung gleichzeitig mit zwei männlichen Kollegen absolviert. Wie haben sich diese verhalten?

(lacht) Meine zwei männlichen Kollegen haben ständig lauthals erzählt, wie gut sie dieses und jenes erledigt hätten! Im Gegensatz zu ihnen war ich still und habe leise vor mich hingearbeitet. Daher mein Rat: Frauen sollten nicht nur gute Arbeit leisten, sondern diese auch sichtbar machen. Tue Gutes und sprich darüber! Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, und ich muss mich selbst auch öfter daran erinnern. Dabei geht es mir auf keinen Fall darum, andere schlecht zu machen, sondern darum, dass die eigene Leistung genauso wertgeschätzt wird. 


Was sind Ihre persönlichen Grundregeln, wenn es um Geldmanagement geht?

Behalten Sie Ihre Ausgaben im Auge und diversifizieren Sie Ihre Investitionen. Es ist wichtig, verschiedene "Töpfe" zu haben: Spielgeld, langfristige Anlagen und einen Notgroschen.

Viele Frauen zögern allerdings immer noch, sich aktiv mit ihren Finanzen auseinanderzusetzen.

Wer diesen Text liest, hat schon den ersten Schritt gemacht und sich mit dem Thema Finanzen zu befassen begonnen – das ist doch schon mal super! Fangen Sie klein an und setzen Sie sich erreichbare Ziele. Es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Thema Finanzen zu nähern, und Fachberater:innen können wertvolle Unterstützung bieten. Nutzen Sie das Wissen Ihrer Bankberater:innen.

Haben Sie einen Ratschlag, wie Frauen ein gesundes Verhältnis zu Geld entwickeln können?

Da ich mich schon so früh mit dem Thema auseinandergesetzt habe, kam das bei mir ganz natürlich. Darum würde ich auch allen anderen empfehlen, mit ihren Kindern früh genug über Geld zu sprechen und ihnen beizubringen, dass man auch mal für etwas sparen muss. Wenn ich als Kind etwas Teures haben wollte, war immer klar: Ich muss das Geld – zumindest sicher einen Teil – aus meinem Sparkonto beisteuern.

Der Equal Pay Day markiert symbolisch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Was sind Ihrer Meinung nach die systematischen Ursachen für Lohnungleichheiten?

Was viel zu wenig gemacht wird, ist, über das eigene Gehalt und das Gehalt der Arbeitskolleg:innen zu sprechen. Sprecht miteinander über eure Löhne und informiert euch, welche Bezahlung angebracht ist. Ich bin sehr für gleiche Bezahlung für gleiche Leistung – egal, ob Mann, Frau, jung oder alt. Dafür muss man sich aber in erster Linie informieren.

Haben Sie persönliche Erfahrungen mit Lohnungleichheit gemacht?

Offiziell nicht. Aber inoffiziell habe ich als Teilzeitkraft nicht dieselben Bonusansprüche gehabt wie jemand, der 100 Prozent gearbeitet hat. Somit habe ich viel weniger verdient als vor meiner Karenzzeit. Ich habe das aber angesprochen und bin für mich und meine Arbeit eingestanden und mein Gehalt wurde dann angepasst. Aber ob ich jetzt gleich viel verdiene wie mein männlicher Arbeitskollege, weiß ich nicht – das wird schon extrem unter Verschluss gehalten. Ganz grundsätzlich wird in der Finanzbranche nicht offen kommuniziert, wer welche Zulagen und Boni bekommt.

Welche Ratschläge haben Sie für Frauen, die sich in Verhandlungen für Gehalt oder Beförderungen befinden?

Bereitet euch gut vor! Recherchiert, was in diesem Gebiet ein gängiges Gehalt ist und was andere in eurem Alter in einem ähnlichen Bereich verdienen. Falls das Gehalt nicht diskutabel ist, gibt es auch noch andere Möglichkeiten, um Vorteile zu erhalten: Flexible Arbeitszeitmodelle, mehr Homeoffice, bezahlte Handyrechnung, Geschäftsauto etc. Das Wichtigste ist, dass man auf Augenhöhe miteinander verhandelt und für sich und seine Ziele einsteht.