Innsbruck, 25. Jänner 2024

 

Trotz Integration in den Lehrplan: YEP Jugendstudie zeigt großen Nachholbedarf bei Finanzbildung in Österreich

  • Jede:r fünfte Jugendliche ohne Überblick über eigene Ausgaben
  • 17 Prozent haben Angst, geborgtes Geld nicht zurückzahlen zu können
  • Hälfte der Jugendlichen fühlt sich nicht auf eigene Zukunft vorbereitet

Die Zahl der Privatinsolvenzen Unter-24-Jähriger stieg im Jahr 2023 laut dem Alpenländischen Kreditorenverband um 22 Prozent. Jugendverschuldung und verantwortungsvolle Finanzplanung bilden zudem die Schwerpunkte der nationalen Finanzbildungsstrategie der nächsten beiden Jahre. Dass Österreichs Jugend selbst Handlungsbedarf in diesem Bereich sieht, zeigt eine aktuelle, repräsentative Jugendstudie des Sozialunternehmens YEP in Zusammenarbeit mit dem Erste Financial Life Park (FLiP).

48 Prozent der befragten Jugendlichen geben an, sich „eher nicht“ oder „gar nicht“ beim Thema Geld und Finanzen auszukennen. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 60 Prozent, die sich selbst mangelndes Finanzwissen attestierten. Deutliche Unterschiede zeigen sich bei den Geschlechtern, 56 Prozent der weiblichen Befragten fehlt es an Finanzwissen, bei den männlichen sind es mit 36 Prozent merklich weniger. Die Folgen: Jede zweite weibliche Befragte (51%) fühlt sich vom Umgang mit Geld gestresst, während es bei den männlichen Befragten „nur“ rund jeder Vierte (29%) ist.

Fehlendes Wissen und Inflation sorgen für Zukunftsängste

Karin Svoboda Vorständin Tiroler Sparkasse

Karin Svoboda, Vorständin der Tiroler Sparkasse,
betont die Relevanz finanzieller Bildung für Kinder und Jugendliche.
Bildnachweis: Thomas Steinlechner, Abdruck honorarfrei

Als Stressfaktoren im finanziellen Alltag nennen die Jugendlichen vorwiegend die Inflation, dass es ihnen schwer falle, Geld zu sparen, aber auch Zukunftsängste, wie sie sich ihr zukünftiges Leben leisten sollen. Worin diese Zukunftsängste begründet liegen, zeigen weitere Zahlen der Studie: 51 Prozent der Jugendlichen in Österreich fühlen sich mit ihrer aktuellen finanziellen Bildung nicht auf die Zukunft vorbereitet. Auch hier ist ein starker Unterschied erkennbar: Während 57 Prozent der weiblichen Befragten sich nicht auf die Zukunft vorbereitet fühlen, sind es bei den männlichen Befragten mit 40 Prozent deutlich weniger.

„Sich frühzeitig mit dem Thema Finanzen auseinanderzusetzen, ist eine wichtige Investition in die eigene Zukunft. Wer das macht, hat schon gewonnen. Eine gute Finanzbildung gibt Menschen die Freiheit, ihr Leben nach eigenen Bedingungen zu leben und frei zu gestalten. Viele junge Menschen werden ins kalte Wasser geworfen, quasi ‚learning by doing‘, wenn es um die eigenen Finanzen geht. Und das kann man sich im Umgang mit Geld wortwörtlich nicht leisten”, erklärt Karin Svoboda, Vorständin der Tiroler Sparkasse. 

Verschuldung unter jungen Menschen stark angestiegen

Welche schwerwiegenden Folgen mangelndes finanzielles Wissen hat, zeigen aktuelle Zahlen aus der Insolvenzstatistik 2023 des Alpenländischen Kreditorenverband (AKV). So befanden sich im Jahr 2023 22 Prozent mehr Personen unter 24 Jahren in Privatinsolvenz als noch im Jahr zuvor, bei weiblichen Betroffenen beträgt der Anstieg sogar 45 Prozent. Als primäre Ursache identifiziert der AKV Konsumschulden, vor allem aus dem Onlinebereich. Ratenzahlung und Zahlungsverzug würden dazu führen, dass die jungen Menschen den Überblick über ihre Ausgaben verlieren würden. Die Ergebnisse der Jugendstudie unterstreichen das: Jede fünfte jugendliche Person in Österreich hat keine Übersicht, wie viel Geld sie im Monat ausgibt. Und 17 Prozent hatten schon einmal Sorgen, ausgeborgtes Geld nicht mehr zurückzahlen zu können.

Wie real das Thema Jugendverschuldung wirklich ist, weiß Philip List, Leiter des Erste Financial Life Park, aus mehr als 4.000 Touren im FLiP: „Es ist besorgniserregend, wie verbreitet das Schulden-Machen unter Österreichs Jugend ist“, so der Experte. Social-Media-Trends, wo mit der Höhe der offenen Rechnungen angegeben wird, und die Tatsache, dass mittlerweile nahezu jeder Onlineshop eine Buy-Now-Pay-Later-Bezahllösung anbiete, würden die Lage zusätzlich verschärfen: „Noch nie war es so einfach, Konsumschulden zu machen wie heutzutage. Umso wichtiger ist es, den Jugendlichen die realen Folgen aufzuzeigen“, sagt List.

Aber auch Sucht sowie mangelndes Wissen und Erfahrung wären Faktoren, so der Experte. Für List können Eltern einen essenziellen Beitrag leisten, um den Jugendlichen kritisches Konsumdenken zu vermitteln: „Das Thema Geld zuhause pro-aktiv anzusprechen und selbst den richtigen Umgang vorzuleben, ist ein wichtiger Teil der Erziehung.“ 30 Prozent der befragten Jugendlichen geben aber an, zu Hause selten oder gar nicht über Geld zu sprechen.

Jugendliche sehen vielfältige Ursachen für Verschuldung

Laut YEP-Jugendstudie geben die Jugendlichen für die Verschuldung ihrer Altersgenossen mangelnde Bildung, unzureichende Aufklärung oder „keine Ahnung von Finanzmanagement“ als Ursachen an. Schwierigkeiten bei der Übernahme von Eigenverantwortung, (Kauf)sucht oder die Neigung, „Konsumopfer“ zu werden, wären ebenfalls Gründe. Der Tenor der Jugendlichen: Viele würden sich in Schulden stürzen, um unnötige Dinge zu kaufen und stets das „Neueste“ oder „Beste“ zu besitzen, oft auch, um ein bestimmtes Image aufrechtzuerhalten oder andere zu beeindrucken. Gruppendruck in Freundeskreisen spiele hier eine große Rolle, ob Markenzwang oder kostspielige Freizeitaktivitäten mit ihren Freund:innen. Mehr zum Thema Finanzbildung lernen, würden die Jugendlichen in Österreich am liebsten in der Schule. Die Grundlagen dafür wurden mit der Integration von Finanzbildung in den Lehrplan geschaffen.

Finanzbildung? Simpler als gedacht!

Viele würden vor Touren durch das FLiP bei Finanzbildung immer noch an die Vermittlung von hochkomplexen Finanzmarktinhalten denken, so List. Dabei sei es viel simpler, so der Experte: „Es geht im FLiP nicht darum, der nächste Börsenguru zu werden, sondern ein Gefühl für den Umgang mit Geld zu entwickeln und zu verstehen: Was sind fixe, was variable Kosten? Welche monatlichen Ausgaben kommen auf mich zu? Im FLiP vermitteln wir spielerisch, welche regelmäßigen Ausgaben im Alltag warten.“

Es gäbe aber auch weitere ortsunabhängige Angebote für Kinder und Jugendliche wie den FLiP2GO-Bus, dessen Tour durch sämtliche Bundesländer führt, oder diverse Online-Challenges. Die Relevanz des Themas Finanzbildung zeigt die große Nachfrage, die trotz zweijähriger Pandemie-Unterbrechung seit der Eröffnung 2016, ungebrochen ist: „Wir durften mittlerweile über 120.000 Schüler:innen im FLiP begrüßen und haben mehr als 350.000 Jugendliche mit unseren Inhalten erreicht. Der Durst nach Finanzbildung ist ungestillt“, so List abschließend.

 

FLiP2Go-Bus macht im Frühjahr 2024 Halt in Tirol

Mit dem FLiP2Go-Bus haben Erste Bank und Sparkassen eine Möglichkeit geschaffen, spielerisch Finanzwissen zu vermitteln. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Schulklassen. In dem umgebauten Doppeldeckerbus lernen Kinder und Jugendliche an sieben interaktiven Stationen den verantwortungsvollen Umgang mit Geld. Eine Tour im FLiP2Go dauert 100 Minuten und kann für 10- bis 14-Jährige oder für Jugendliche ab 15 Jahren gebucht werden. Die Inhalte sind so gestaltet, dass sie genau in die Erfahrungswelt der jeweiligen Zielgruppe passen. Für Rollstuhlfahrer:innen wurde neben der hinteren Einstiegstür eigens eine Station konzipiert, an der alle Spiele absolviert werden können. 

„Mit der mobilen Version von FLiP und ECOMANIA, dem volkswirtschaftlichen Planspiel, leisten wir einen nachhaltigen Beitrag zur finanziellen Bildung in Tirol. Erfreulicherweise ist der FLiP2Go-Bus im Mai und Juni 2024 auch wieder im Raum Innsbruck und Innsbruck-Land unterwegs. Wir können eine Tour durch den FLiP2Go-Bus sowie eine ECOMANIA-Partie nur jeder Bildungseinrichtung wärmstens ans Herz legen und hoffen sehr, dass möglichst viele Schulklassen dieses kostenlose Angebot in Anspruch nehmen“, freut sich Patrick Götz, Vorstand der Tiroler Sparkasse.

Interessierte Lehrkräfte können sich einen Termin unter www.events.sparkasse.at/TirolerSparkasse/flip2go oder www.tirolersparkasse.at/ecomania
sichern. 

Zum Jugendbericht „Finanzbildung”

Die Jugendstudie wurde im Rahmen eines Pressegesprächs am 23. Jänner 2024 in Wien von Gerda Holzinger-Burgstaller, CEO der Erste Bank Oesterreich, und Philip List, Leiter des Erste Financial Life Park, sowie drei Vertreter:innen des FLiP-Jugendbeirats präsentiert. Über 1.800 Jugendliche (n=1879; Hauptzielgruppe im Alter von 14 bis 20 Jahren) haben von September bis November 2023 am Beteiligungsprozess teilgenommen und in Fokusgruppen, Workshops und einer quantitativen Befragung spannende Einblicke in ihre Bedürfnisse und Wünsche gegeben. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Erste Financial Life Park (FLiP) nach 2021 bereits das zweite Mal durchgeführt. Mehrere der befragten Jugendlichen bilden in den nächsten Jahren den FLiP Jugendbeirat. Die Ergebnisse des Jugendberichts fließen mit Hilfe des Beirats in die Konzeptionierung von neuen Angeboten des FLiP ein. Rebekka Dober, Gründerin von YEP: „Jugendliche sind die Expert:innen ihrer Lebensrealität und mit der Teilnahme von 1.800 jungen Personen aus Österreich an unserer Umfrage wird deutlich, wie wichtig es ihnen ist, auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Wir sollten Finanzwissen stärker fördern, um allen Kindern eine gerechte Chance auf einen fairen Start im Leben zu geben. Was wir alle als Gesellschaft tun können, ist, mehr über Geld zu sprechen, damit es kein Tabuthema mehr ist.“

 

O-Töne befragter Jugendlicher

  • „Wir möchten auf das echte Leben vorbereitet werden. Sogar in wirtschaftlichen Schulen wie der HAK lernen wir nicht, wie man Rechnungen bezahlt oder ein eigenes Konto eröffnet.”
  • "Geld ist so ein wichtiges Thema, aber niemand möchte darüber sprechen. Es ist immer noch ein absolutes Tabu. Wie sollen Lehrer:innen Finanzbildungsunterricht geben, wenn sie nicht einmal selbst darüber sprechen?“
  • „Wir als FLiP-Jugendbeirat fordern, dass Finanzbildung fester Teil des Lehrplans sein muss, mit einer Schulstunde pro Woche, damit alle die gleichen Chancen haben und Übung in Bezug auf Geld bekommen.“

Der Jugendbericht steht unter www.financiallifepark.at/de/presse zum Download bereit. 

Über den Erste Financial Life Park und den FLiP2Go-Bus:

Der Erste Financial Life Park (FLiP) am Erste Campus in Wien ist ein einzigartiger Ort innovativer Vermittlung von wirtschaftlichen und finanziellen Themen. In seinen Angeboten vermittelt der FLiP praxisnahes Wissen sowie wichtige Kompetenzen rund um das individuelle Geldleben und schafft Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge. Die an den Bedürfnissen der Zielgruppe ausgerichteten Inhalte sind wertneutral, kostenfrei und inklusiv nach neuesten didaktischen Erkenntnissen erstellt. Die Objektivität seiner Inhalte wird durch einen wissenschaftlichen Experten-Beirat von u.a. der Universität Wien, Fairer Finance, Stanford University und Hertie School of Governance gesichert. Das Angebot des FLiP umfasst zweistündige Touren in Wien, den FLiP2Go-Bus, welcher im Frühling 2024 auch wieder durch Tirol tourt, verschiedene Workshop-Formate und eine große Anzahl an analogen sowie digitalen Lehr- und Lernmaterialien. Mehr Informationen unter: www.financiallifepark.at.

Über YEP:

Das mehrfach prämierte Sozialunternehmen YEP - Stimme der Jugend ist professioneller Umsetzungspartner für inklusive Partizipationsprozesse. In den letzten fünf Jahren hat YEP über 300 Prozesse aufgesetzt und die Stimme von Jugendlichen wirkungsorientiert in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eingebracht in Form von partizipativen Studien. Durch den pädagogischen Ansatz wird gleichzeitig erlebte Demokratiebildung für junge Menschen ermöglicht sowie Partizipation als gewinnbringende Praxis für ein Miteinander der Generationen genutzt. Mehr Informationen unter: www.yep-austria.org.

Pressekontakt

Linda Feichtner, MA

Presse und Kommunikation

presse@tirolersparkasse.at