
„Mein Notgroschen war meine Rettung“ – Elke Rock über Mut, Geld und Selbstbestimmung“
Im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen (Orange the World)“ sprechen wir mit Elke Rock,
Moderatorin, Unternehmerin und Coachin, darüber, wie finanzielle Unabhängigkeit Frauen helfen kann, schwierige Lebenssituationen im Zusammenhang mit Gewalterfahrungen zu bewältigen.
Elke Rock teilt ihre persönliche Erfahrung, gibt ehrliche Einblicke und zeigt Wege auf, wie Frauen sich finanziell stärken können. Neben ihrer Tätigkeit als Ö3-Moderatorin ist Elke Rock mit ROCKstarcoaching selbstständig.
Sie unterstützt Frauen dabei, klar zu kommunizieren, sichtbar zu werden und ihre Wirkung gezielt einzusetzen, für mehr Präsenz, Selbstvertrauen und Erfolg im Beruf.
© Martin Krachler
Liebe Elke, warum ist finanzielle Unabhängigkeit gerade im Kontext von Gewalt gegen Frauen so entscheidend?
Weil finanzielle Unabhängigkeit konkret Handlungsfreiheit bedeutet. Wenn eine Frau genug Geld hat, kann sie gehen. Ohne sich rechtfertigen zu müssen, ohne auf jemand anderen angewiesen zu sein. Gerade in einer gewaltvollen Beziehung ist das ein riesiger Unterschied. Geld gibt dir die Möglichkeit, Entscheidungen für dich selbst und deine Kinder zu treffen: sicher, schnell und selbstbestimmt.
Welche finanziellen Auswirkungen hatte die Gewalttat konkret auf dich? Dabei interessieren uns nicht nur die direkten Kosten, sondern auch indirekte Folgekosten wie psychologische Betreuung.
Meine Gewalterfahrung ist mir im Urlaub in Lignano passiert. Ich war mit meinem damals 5-jährigen Sohn in einem Hotel. Im Nebenzimmer ging mitten in der Nacht ein heftiger und lauter Streit zwischen einem Pärchen los. Ich machte mir wirklich Sorgen um die Frau und klopfte an deren Zimmertür. Der stark betrunkene Mann öffnete, packte mich sofort am Hals und würgte mich. Erst als seine Partnerin eingriff, ließ er wieder los. Diese Situation hat mir gezeigt, wie schnell und unvermittelt man selbst in eine Gewaltsituation geraten kann.
Sowohl mein Kind als auch ich mussten psychologische Betreuung in Anspruch nehmen. Und selbst bezahlen. Es war ungewiss, ob ich jemals eine Entschädigung vom Täter erhalten würde. Für mehrere Wochen konnte ich meiner Arbeit nicht nachgehen. Ich musste Eventmoderationen absagen und hatte dadurch kein Einkommen aus meiner selbstständigen Tätigkeit. Auch Anwaltskosten entstehen, sobald man rechtlich gegen den Täter vorgehen möchte.
Du erwähnst, dass du mehrere Wochen nicht arbeiten konntest. Wie bist du in dieser Zeit finanziell über die Runden gekommen?
Zum Glück hatte ich vorgesorgt. Ich habe mir über die Jahre einen finanziellen Polster aufgebaut, das war meine Rettung. Dieser Notgroschen hat mir nicht nur geholfen, laufende Kosten zu decken, sondern mir auch die Zeit gegeben, wieder zu mir selbst zu finden. Gerade in meiner selbständigen Tätigkeit war das besonders wichtig, weil ich in diesem Bereich keinen Anspruch auf klassische Lohnfortzahlung hatte. Ohne Rücklagen wäre das nicht möglich gewesen.
Welche Rolle spielte ein finanzieller Notgroschen in deiner Situation?
Ein sogenannter „Notgroschen“ gibt einer Frau die Möglichkeit, sich selbst und ihrem Kind schnell und gezielt zu helfen. Gerade heute, bei hohen Mieten, knappen Wohnungen und steigenden Lebenshaltungskosten, ist ein finanzieller Polster oft die einzige Chance, rasch handlungsfähig zu sein. Wer in einer belastenden Wohnsituation lebt, braucht Mittel für Kaution, Umzug, Möbel und die erste Miete. Ohne Rücklagen wird genau das zur Hürde. Ein finanzieller Polster schafft in so einer Situation nicht nur Sicherheit, sondern auch echte Wahlfreiheit. Und das ist unbezahlbar.
Gab es Unterstützungsmöglichkeiten, auf die du zurückgreifen konntest oder hättest zurückgreifen wollen?
Ich hatte das große Glück, in dieser Zeit auf meine Familie, enge Freund:innen und meinen großartigen Anwalt, Clemens Berlakovits, zählen zu können. Auch Hilfsorganisationen gibt es, und sie leisten wertvolle Arbeit. Doch um diese Angebote zu finden und zu nutzen, braucht es viel Eigeninitiative, Orientierung und Zeit, genau das, was in einer akuten Krisensituation oft fehlt. Was mir in dieser Situation am meisten geholfen hat, war meine finanzielle Unabhängigkeit. Sie hat mir ermöglicht, sofort zu handeln, selbstbestimmt und ohne Hürden. Ein unbürokratischer Notfallfonds, auf den Frauen in Not direkt zugreifen können, wäre ein echter Gamechanger. Aber bis dahin bleibt der eigene finanzielle Polster das stärkste Sicherheitsnetz, das wir Frauen uns schaffen können.
Welche finanziellen Herausforderungen sind aus deiner Sicht besonders schwierig, wenn Frauen sich aus einer gewalttätigen Beziehung lösen wollen?
Die erste Hürde ist oft der Auszug. Miete, Kaution, Möbel, Umzug. Das ist ein großer finanzieller Kraftakt. Dazu kommt: Viele Frauen müssen sich und ihre Kinder erst mal komplett neu organisieren. Psychologische Betreuung, rechtliche Beratung, vielleicht auch berufliche Neuorientierung. All das kostet Zeit und Geld. Wenn man da nicht vorbereitet ist, kann es schnell überfordernd werden.
Was würdest du anderen Frauen raten, um finanziell für solche schwierigen Situationen vorzusorgen?
Finanziell unabhängig vom Partner zu sein, bedeutet für mich Freiheit und Sicherheit. Wir Frauen sollten uns intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen und dürfen uns meiner Meinung nach nicht in eine vollständige finanzielle Abhängigkeit begeben.
Wie kann aus deiner Sicht die Gesellschaft oder der Staat Frauen, die von Gewalt betroffen sind, besser unterstützen, speziell in finanzieller Hinsicht?
Es gibt bereits staatliche Angebote wie Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser oder die psychosoziale Prozessbegleitung. Auch finanzielle Hilfe nach dem Verbrechensopfergesetz ist möglich. Doch oft kommt diese Unterstützung zu spät. Viele Leistungen sind an langwierige Verfahren gebunden oder erfordern das Überwinden bürokratischer Hürden, was Frauen in einer akuten Krise kaum schaffen können.
Was fehlt, ist sofortige Hilfe. Eine Frau in Not braucht schnellen Zugang zu finanziellen Mitteln, ohne lange Anträge, Nachweise oder Wartezeiten. Ich wünsche mir einen unbürokratischen Soforthilfefonds und mehr Übergangswohnungen in ganz Österreich. Und langfristig brauchen wir mehr finanzielle Bildungsangebote für Frauen, damit wir gar nicht erst in Abhängigkeit geraten. Finanzielle Unabhängigkeit ist kein Luxus, sie ist die Grundlage für Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung.