Ötzi, ein Kriminalfall

Ein Fenster in die Steinzeit öffnete Univ. Prof. Dr. Walter Leitner kürzlich im Rahmen der Vortragsreihe „Kluge Köpfe“ im Sparkassesaal. Der renommierte Archäologe schilderte in spannender Manier die spektakulärsten und neuesten Erkenntnisse zur Gletschermumie Ötzi, die vor 26 Jahren durch einen Zufall gefunden wurde. Prof. Leitner hat die Forschung am "Mann im Eis" von Anfang an mitverfolgt und gilt als der Tiroler Ötzi-Forscher.

Seinen Ausführungen nach könnte Ötzi ein Anführer oder Schamane gewesen sein, der sich auf der Flucht befand. Er wurde vor über 5000 Jahren am Fundort auf 3210 m Seehöhe von hinten angeschossen. Der Pfeil durchschlug das Schulterblatt und zerstörte eine Arterie. Es war kein Raubmord, den das damals wertvolle Kupferbeil ließen der – wahrscheinlich aber mehrere - Täter zurück. Ötzi war aber schon vor dem tödlichen Schuss schwer verwundet. Seine Flucht führte vom Schnalstal über das Tiesental aufs Tiesenjoch. Der Fund von Ötzi lieferte bislang unbekannte Erkenntnisse, welche Kleidung die Menschen in der Jungsteinzeit in den Alpen getragen haben, wie z.B. mit Gras gefütterte Pelzschuhe. Ötzi war 1,60 cm groß und zum Todeszeitpunkt zwischen 43-51 Jahre alt. Ein damals recht fortgeschrittenes Alter, das von chronischen Beschwerden begleitet wurde. So entdeckten die Wissenschaftler nach und nach Tätowierungen an einigen Körpermeridianen. Diese Zeichen kennzeichneten laut Dr. Leitner jene neuralgischen Stellen, an denen Ötzi sich selbst therapierte - oder therapieren wurde.

Für reichlich Zündstoff sorgte der Fundort auf Südtiroler Gebiet, nur 93 Meter von der österr. Staatsgrenze entfernt. Auf Grund des Grenzverlaufs erhoben zunächst Italien und Österreich Anspruch auf den Sensationsfund. Weitere Ausrüstungsstände, die im mehrere Meter dicken Eis nahe der Fundstelle am Tisenjoch möglich wären, könnten durchaus zusätzliche Erkenntnisse über Ötzi und die Jungsteinzeit liefern.

Seit März 1998 liegt die Gletschermumie im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen. Dort werden in einer Kühlzelle mit hohem technischen Aufwand die Bedingungen im Inneren des Gletschers imitiert. Rund 250.000 Besucher pro Jahr werfen einen Blick durch das Sichtfenster auf den Mann, von dem die Forscher noch einige Rätsel lösen wollen.