Österreich ist Fußball-Rasen-Europameister
10.07.2024
Im Jahr 1906 wünschte sich Kaiser Franz Joseph einen neuen Rasen für die Stadt Wien und seine Ringstraßen. Ein Wunsch der gleichzeitig die Geburtsstunde von Richter Rasen war. Nach beinahe 120 Jahren Erfolgsgeschichte punktet das niederösterreichische Unternehmen heute in vielen Fußballstadien – auch bei der Europameisterschaft. Wir haben Bianca Götz-Richter zum Gespräch gebeten.
Sie versorgen jährlich rund 20 Fußballarenen in Europa mit hochqualitativem Rasen und jetzt auch Berlin und Stuttgart mit dem EM-Rasen. Wie kam es zu diesem Auftrag?
Wir sind seit ein paar Jahren einer von drei großen Lieferanten für einige deutsche Bundesliga-Stadien und auch Ansprechpartner der UEFA für ihre Großevents. Das Berliner Olympiastadion und der VfB Stuttgart zählen zu unseren Stammkunden und der Rasen wurde daher auch für die EM von uns geliefert.
Bianca und Philipp Götz-Richter führen das Unternehmen in fünfter Generation. Foto: Richter Rasen
Der Auftrag dieses Jahr ist auch nicht das erste Mal, dass Sie die EM mit Rasenflächen versorgen?
Bereits 2016 konnten wir drei Stadien in Frankreich mit unserem Stadionrasen ausstatten, nachdem die UEFA damals einige Stadien als unzureichend eingestuft hatte und uns als Lieferant für drei Stadien ausgewählt hat. Hierzu wurden mehrere Rollrasenproduzenten in Europa getestet und unser Sportrasen als der geeignetste festgestellt.
Ich nehme an Rasen ist nicht gleich EM-Rasen. Wieviel Innovation steckt in dem Grün?
Wir sind mit verschiedenen Instituten und Universitäten weltweit an Forschung und Entwicklung involviert und entwickeln auch unsere technischen Standards laufend weiter. Gerade bei Fußball ist die Zeit meist sehr knapp und so muss ein komplettes Stadion von uns in rund vier Tagen neu ausgestattet werden, sodass oft am nächsten Tag bereits darauf gespielt werden kann.
Fußballstadien mit Rasen auszustatten, ist eine logistische Herausforderung, die Richter Rasen mittlerweile aus einer Hand lösen kann. Foto: Richter Rasen
Die Anforderungen für den Rasen bei einer Fußball-EM sind sicher sehr hoch. Worauf muss man besonders achten?
Fußballrasen muss ganz eigenen Standards und Normen standhalten und ist sowohl in der Produktion aufwändiger, als auch in der Zusammensetzung. Bevor der Rasen in einem Stadion verlegt werden kann, wird er auf seine technischen Merkmale, wie zum Beispiel Scherfestigkeit und Ballsprungverhalten geprüft.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit bei einem so anspruchsvollen Rasen? Ich nehme an diese Rasenflächen sind recht bewässerungsintensiv?
Wir sind stets auf Nachhaltigkeit bedacht und versuchen selbst bei einem pflegeintensiven Produkt, wie Sportrasen nur das Minimum an zusätzlichen Ressourcen zu verwenden. Das Wasser wird aus einem ausgeklügelten Oberflächenentwässerungssystem über Kanäle entnommen, Dünger setzen wir nur sehr gezielt ein und unsere Gräsersorten entwickeln wir, dem Klima antsprechend, laufend weiter – zum Beispiel Richtung hitzeresistentere Gräser, die weniger Bewässerung benötigen.
Was waren einige der Herausforderungen, mit denen Ihr Unternehmen konfrontiert war, um den Rasen rechtzeitig und in optimaler Qualität zu liefern?
Gerade bei großen Stadien ist es schon öfter vorgekommen, dass wir innerhalb von drei Tagen nach Auftragserteilung mit den Arbeiten im Stadion beginnen mussten. Dies ist logistisch eine Challenge, da die LKWs mit der Spedition geplant, das Team bereit gestellt und eventuell andere Projekte verschoben werden mussten. Aber auch dies ist möglich, wenn es die Situation erfordert und ein Spiel sonst nicht stattfinden kann.
Wie lange dauert es von der Ansaat bis zur Ernte und bis der EM-Rasen dann tatsächlich im Stadion liegt?
Ungefähr 1,5 bis zwei Jahre.
Ihr Unternehmen ist ein Familienunternehmen in fünfter Generation. Welcher Rasen ist Ihnen aus der Unternehmensgeschichte besonders in Erinnerung geblieben?
Für das Unternehmen war es wahrscheinlich der allererste für den Kaiser. Für mich persönlich gab es in den letzten zehn Jahren, in denen ich mit meinem Mann das Unternehmen leite, mehrere Projekte an die ich mich gerne erinnere: Zum Beispiel das Champions-League-Finale 2015, das auf unserem Rasen stattfand und wir dadurch das Olympiastadion Berlin langfristig als Stammkunden gewonnen haben. Weiters spannend waren auch unsere Projekte bei Bayern München, Juventus Turin, das Poljud-Stadion von Hajduk Split, wo wir zum ersten Mal mit unseren selbst entwickelten Maschinen arbeiten konnten. Natürlich auch viele Projekte, die wir in den letzten Jahren in Österreich umsetzen konnten, unter anderem mehrere Cupfinale im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt und viele mehr.
Was haben Sie und Ihr Unternehmen über die Nachfolgeplanung und die Übergabe des Unternehmenes gelernt? Haben Sie einen Tipp für angehende Unternehmer:innen?
Auf jeden Fall ist es wichtig eine Übergabe möglichst früh und am besten mit einem Mediator oder Coach zu planen, da es hier meistens unterschiedliche Wünsche und Ansichten zwischen den Generationen gibt. So können diese Themen rechtzeitig aufgegriffen und umgesetzt werden.
Veränderung beginnt mit neuen Ideen. Gibt es schon Pläne oder neue Ideen für die kommenden Jahre?
In den letzten fünf Jahren konnten mein Mann und ich bereits einige dieser Ideen umsetzen, wie unter anderem die Gründung einer eigenen Baufirma, um ein komplettes Spielfeld aus einer Hand anbieten und so auch die Qualität sichern zu können. So können wir vom Abriss des alten Spielfelds, über Planung und Design, Einbau von Bewässerung und allen Sandschichten, bis hin zum Rollrasen, alles mit dem eigenen Team und Know-how anbieten und durchführen. Damit ist es uns gelungen, schon in einigen Bundesligastadien und Trainingsplätzen funktionierende Spielfelder zu bauen, die über viele Jahre qualitativ einwandfrei bespielbar sind.