„Eigenständig Geld zu verdienen und finanziell unabhängig zu sein, ist eine wertvolle Ressource für Frauen“
7 Fragen an Gudrun Egger, Vorständin ERSTE Stiftung.
Traditionelle Geschlechterrollen zeigen sich bei der Aufteilung unbezahlter Arbeit in Österreich: Frauen übernehmen in Paarhaushalten laut Statistik Austria den Großteil der Hausarbeit – selbst dann, wenn sie mehr arbeiten als ihre Partner. Was bedeutet das für ihre finanzielle Selbstbestimmung?
Wir haben mit Gudrun Egger, Vorständin der ERSTE Stiftung, darüber gesprochen, welche Schritte Frauen unternehmen können, um ihre finanzielle Unabhängigkeit gezielt zu stärken.
Frau Egger, welche Rolle spielt finanzielle Unabhängigkeit für Frauen und warum ist sie so wichtig?
Viele Entscheidungen unseres Lebens hängen mit Geld zusammen. Wenn man frei über ausreichend finanzielle Mittel verfügen kann, ohne jemanden um Erlaubnis bitten zu müssen, ermöglicht diese finanzielle Unabhängigkeit ein hohes Maß an Selbstbestimmtheit.
Warum liegt Ihnen dieses Thema persönlich am Herzen?
Das hat schon ganz früh begonnen: Als ich ein Kind war, war es z. B. eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, „Kaufmannsladen“ zu spielen. Auch mein Sparschwein und „richtiges“ Geld haben mich immer interessiert. Ich wurde in meinem Umfeld auch geprägt durch berufstätige und starke Frauen, die ihren Job gerne gemacht haben.
Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie Frauen, um langfristig Vermögen zu bilden?
Wie viel wirtschaftliches Vermögen jemand langfristig braucht, hängt stark vom individuellen Ausgabeverhalten ab. Daher würde ich empfehlen, mit einer Bestandsaufnahme der Einnahmen und Ausgaben zu beginnen. Dann sollte man überlegen, welche der Ausgaben notwendig sind oder glücklich und zufrieden machen und ob man höhere Einnahmen erzielen kann. Wenn man laufend einen Einnahmenüberschuss erzielt, der kurzfristig nicht benötigt wird, kann man langfristig investieren bzw. veranlagen. Auch hier sollte man ein Grundverständnis für Risiko-/Ertragskonzepte und Finanzprodukte entwickeln, bevor man loslegt.
Haben Sie selbst auch schon mal finanzielle Fehler gemacht? Wenn ja, welche?
Ja, selbstverständlich, aber die waren zum Glück nie groß: Ich habe z. B. Dinge gekauft, die ich nicht gebraucht habe, die mich nicht glücklich gemacht haben oder Aktien zur falschen Zeit gekauft oder z. B. Bitcoin zur falschen Zeit verkauft. Es gehört dazu, Fehler zu machen, die Frage ist, ob man daraus etwas lernt.
Wie können Frauen trotz niedrigerer Einkommen und unbezahlter Arbeit finanzielle Sicherheit aufbauen?
Dies hängt sehr von der individuellen Situation und den jeweiligen Betreuungserfordernissen ab. In jedem Fall aber sollte Frau für sich einstehen und das Thema finanzielle Sicherheit auch in einer Partnerschaft ansprechen. Themen wie Pensionssplitting oder Aufteilung der unbezahlten Arbeit wären konkrete Beispiele. Bei Statistik Austria kann man zum Thema Gender-Pay-Gap und Hausarbeit nachlesen, dass die Hausarbeit in Paarhaushalten auch dann zu mehr als 50 % von Frauen übernommen wird, wenn das Erwerbsausmaß der Frau höher ist als jenes des Partners!
Welche finanziellen Strategien sollten Frauen in ihrem Leben umsetzen, um Altersarmut zu vermeiden?
Wichtig ist, nicht mit Angst in die Zukunft zu blicken, sondern Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Eigenständig Geld zu verdienen bzw. für sich sorgen zu können, ist eine sehr wertvolle Ressource. Eine gute Strategie wäre daher, in die eigene Bildung zu investieren, zusätzliche Fähigkeiten zu erlernen. Angesichts der prognostizierten demografischen Entwicklung werden Ältere in zunehmendem Ausmaß auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Wenn man dann etwas kann, was man noch dazu gerne tut, kann Zuverdienst im Alter auch als durchaus bereichernd empfunden werden.
Welche praktischen Tipps haben Sie für Frauen, die mit der Planung ihrer finanziellen Zukunft gerade erst beginnen?
Wichtig ist, in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Freude daran zu entwickeln, sich laufend weiterzubilden und sich selbst gut kennenzulernen. Wenn man sich seiner Stärken bewusst ist und weiß, was man gut kann und gerne tut, dann kann man Chancen nutzen, wenn sie sich bieten. Das gilt sowohl für das Erwerbsleben als auch für das Investieren.