
Bild: Bernd Schnabl und Christian Koller (En GardE), Johannes Pracher (v.l.)
Die 5 größten Verhandlungsirrtümer – und wie man sie überwindet
In unserer globalen und vernetzen Welt werden Verhandlungen immer wichtiger und durchdringen immer mehr Lebens-Geschäfts- aber auch Gesellschaftsbereiche. Wir verhandeln immer und überall, egal ob intern, extern, im geschäftlichen oder im privaten Bereich. Doch, obwohl Verhandlungen alltäglich sind, haben viele Menschen ein falsches Bild, wenn es um Verhandlungen geht.
Irrtum Nr. 1: Verhandelt wird nur in Ausnahmefällen
Wie bereits angeteasert sind Verhandlungen eine der natürlichsten Formen menschlicher Kommunikation. Verhandeln bedeutet zunächst nichts anderes, als die Eigeninteressen mit den Interessen eines anderen Menschen in Einklang bringen zu wollen. Wir verhandeln täglich. Dabei kann es um Geld gehen oder andere Interessen, die im Vordergrund stehen. Das eigene Kind handelt eine weitere Gute-Nacht-Geschichte für sich aus, Ihr Partner oder Ihre Partnerin holt die Kinder heute anstelle von Ihnen von der Schule ab. Sie handeln mit der vorgesetzten Person die Anzahl der verfügbaren Homeoffice-Tage aus, ein Verkäufer überredet Sie dazu, die enge Jeans zu kaufen, da sie sich garantiert später noch ausdehnt (tut sie aber natürlich nicht),…
Verhandeln meint immer das Setzen von Grenzen und die folgende Aushandlung dieser Grenzen.
Irrtum Nr. 2: Verhandelt wird nur in der Geschäftswelt
Verhandelt wird immer parallel in zwei Welten: Der Geschäftswelt, in welcher harte Kennzahlen und konkrete Verhandlungsergebnisse dominieren. Und die persönliche Welt, in der die Beziehungen zu den Verhandlungspartner:innen im Vordergrund stehen. Wer nachhaltig und konstruktiv verhandeln will und damit über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgreich sein will, muss darauf achten in beiden Welten erfolgreich zu sein. Am erfolgreichsten sind Verhandler:innen dann, wenn sie die Interessen Ihrer Partnerinnen und Partner verstehen wollen, dadurch darauf eingehen und so den Verhandlungsspielraum erweitern. In der Sprache der Verhandler:innen heißt das, den richtigen „Hebel“ finden, um ansetzen zu können. So verstehen es gute Verhandler:innen in den richtigen Momenten ihre Ziele und Interessen durchzusetzen um sich so ihren Gewinn zu sichern.
Irrtum Nr. 3: Bei einer Verhandlung muss es immer klare Gewinner und Verlierer geben
Auch diese Annahme ist falsch. Natürlich existieren Verhandler:innen die sich selbst als besonders kompetitiv sehen, hart verhandeln und eine klare Vorstellung von einem für sie positiven Ausgang der Verhandlungen haben. Objektiv betrachtet profitieren beide Verhandlungsseiten davon, wenn in den ersten Phasen der Verhandlung zunächst integrative Verhandlungsstrategien dominieren. Integrativ bedeutet, dass beide Seiten versuchen, Verhandlungswerte zu schaffen, die zuvor gar nicht beachtet wurden. Interessen müssen hier im Vordergrund stehen, nicht bestimmte Forderungen.
Ein plakatives Beispiel, um dies zu verdeutlichen: Wenn sich zwei Personen um einen Fensterplatz in ihrem Büro streiten, wäre es falsch, nur über die Forderung „Ich will am Fenster sitzen“ zu verhandeln. Wer über Interessen spricht, kommt vielleicht zu dem Schluss, dass der einen Person eventuell gar nicht der Fensterplatz, sondern ausreichend Tageslicht ein Anliegen ist. Hier könnte die eine Person eine Tageslichtlampe anbieten und im Gegenzug den Fensterplatz im Büro für sich beanspruchen. Durch offene Kommunikation über Interessen ist der Verhandlungswert „Tageslichtlampe“ erst entstanden. Ohne diesen integrativen Ansatz wären die Verhandlungen an der Forderung nach einem Fensterplatz gescheitert.
Irrtum Nr. 4: Bei Verhandlungen geht es darum, sein Gegenüber zu übervorteilen
Eines der häufigsten Bilder, die Menschen im Kopf haben, wenn sie an Verhandlungen denken, ist das des skrupellosen Geschäftsmannes oder der manipulativen Geschäftsfrau, die nur den eigenen Vorteil im Sinn hat und über Leichen geht, um ein Ziel zu erreichen. Er oder sie betrachtet Verhandlungen als direkte Alternative zur kriegerischen Handlung, in der die Gegner:innen vollends besiegt und gedemütigt werden müssen. Die gute Nachricht: Solche Verhandler:innen existieren in der Geschäftswelt nur äußerst selten. Warum? Manipulation, Lügen und bewusste Täuschung sind keine besonders nachhaltigen Verhandlungsstrategien. Kommt der Partner oder die Partnerin erstmal darauf, dass er oder sie getäuscht wird (und wer gut auf seine Verhandlungen vorbereitet ist und offen kommuniziert, kommt recht schnell dahinter), reagiert in der Regel mit einem Abbruch der Verhandlungen und einer Absage an künftige Geschäftsbeziehungen. Hier muss jeder Verhandler und jede Verhandlerin selbst entscheiden: Will ich Quick-Wins erzielen, die meine wirtschaftlichen Ziele kurzfristig erfüllen oder verfolge ich eine Verhandlungsstrategie der langfristigen Orientierung, bei der die Beziehung im Vordergrund steht.
Irrtum Nr. 5: Man muss Talent besitzen, um gut verhandeln zu können
Eine gute Nachricht für angehende Verhandler:innen und alle, die ihre Verhandlungsstrategien laufend optimieren wollen. Es wurde noch niemand zum Verhandlungsprofi geboren. Die Fähigkeit zu verhandeln hat vielmehr mit guter Vorbereitung als mit Naturtalent zu tun. Jede:r kann die passenden Verhandlungsstrategien und Werkzeuge erlernen, um ein guter Verhandler oder eine gute Verhandlerin zu werden. Jeder Persönlichkeitstyp verhandelt anders und hat einen anderen Zugang zu den Themen Konfliktlösung und offene Kommunikation. Genau aus diesem Grund sind auch die verschiedensten Verhandlungsstrategien bei unterschiedlichen Persönlichkeiten unterschiedlich effizient. Wer gut verhandeln möchte, sollte sich zunächst selbst und die eigenen Stärken und Schwächen kennenlernen. Erst dann sollten die geeigneten Strategien gewählt werden, um so schlussendlich persönlich die Chancen von Verhandlungen zu nutzen. Gute und gewissenhafte Vorbereitung und die Bereitschaft, sich in die Verhandlungsposition des Gegenübers hineinzuversetzen, führt zu nachhaltigen Verhandlungserfolgen, keine natürliche Begabung.
En GardE Verhandlungstraining versucht, mit dem KODE Ansatz, Menschen dabei zu helfen, Verhandlungschancen auf allen Ebenen zu nutzen: Die Teilnehmenden sollen sich in der Geschäftswelt durch die Kenntnis der passenden Strategien und Tools weiterentwickeln, sie sollen Verhandlungen aber auch als das begreifen, was sie sind: Eine Möglichkeit persönlich zu wachsen.