Zinseszins

Wie kleine Effekte große Wirkung haben

Der Zinseszins-Effekt lindert den Schmerz historisch niedriger Zinsen. Dass wir das nicht zu schätzen wissen, liegt an unserem Gehirn. Es ist nicht für derartige mathematische Prozesse programmiert.

Ein Firmenchef rechnet die Wachstumsraten seines Unternehmens vor: Bei einem monatlichen Plus von 1 Prozent kommt man nach 36 Monaten auf einen Zuwachs von 36 Prozent. Sollte man glauben. Doch bei der Prognose wurde der Zinseszins nicht berücksichtigt. Also, der Effekt, dass erzielte Erträge das Kapital erhöhen, was sich bei weiterer Verzinsung ertragsteigernd auswirkt. Nach 36 Monaten wäre der Zuwachs nämlich 43 %, und nicht 36 %. 

Wie der Zinseszins funktioniert

Missverständnisse rund um den Zinseszins gibt es seit Jahrtausenden – sie können auch fatal enden, wie für Sissa ibn Dahir, den Erfinder des Schachspiels. Ein Maharadscha hatte dem Gelehrten als Dank für seine Erfindung einen Wunsch gewährt. Sissa wollte sich mit etwas Reis begnügen, so schien es: ein Korn auf dem 1. Feld eines Schachbretts, 2 auf dem zweiten, 4 auf dem dritten, 8 auf dem vierten und so weiter. Mit jedem neuen Feld sollte sich die Menge verdoppeln. Zunächst lachte der Maharadscha den Weisen aus. Später ließ er ihn köpfen, nachdem er bemerkt hatte, dass er Sissas Wunsch niemals erfüllen konnte. Dazu hätte er mehr als 18 Trillionen Reiskörner auftreiben müssen. Oder 553 Milliarden Tonnen. Das entspricht einer heutigen indischen Reisernte von 3.600 Jahren. Die Rechnung dazu lautet: 1 + 2 + 2 hoch 2 + 2 hoch 3 + 2 hoch 4 ... + 2 hoch 63. Vom 2. bis zum 64. Feld werden Zweierpotenzen addiert. Der Getreideberg wächst also exponentiell. 

Kleine Ursache – große Wirkung

Das menschliche Gehirn kann nur lineare Zahlenfolgen leicht berechnen oder abschätzen. Ein Beispiel: Wie viel ist 9 mal 5? Einfach. Aber 9 hoch 5? Da muss der Taschenrechner her.

Für den Alltag reicht unsere Rechenkapazität aus: 30 Liter Benzin zu 1,1 Euro pro Liter lassen sich schnell im Kopf berechnen. Aber wie sieht es mit einer Veranlagung von 10.000 Euro über 40 Jahre mit einem Jahreszins von 2 % aus? Nach einem Jahr sind es 10.200 Euro. Aber nach 40 Jahren wurden auch die Zinserträge wieder verzinst – und die Anlagesumme hat sich auf 22.080 Euro mehr als verdoppelt.

Kleine Verschiebungen wirken sich stark aus. Schon eine Zinserhöhung auf 2,1 Prozent bringt am Laufzeitende ein Plus von rund 1.000 Euro ein. Zehn Basispunkte weniger mindern den Ertrag entsprechend. Ein Tipp: Für eine rasche Orientierung hilft der Rechner auf http://www.online-rechner.at/zinsen

Fazit: Bei weit reichenden Entscheidungen – etwa dem Abbruch eines Ansparplans – sollten Sie zuerst ein Gespräch mit einer KundenbetreuerIn führen. Denn im Niedrigzins-Umfeld kann es bei kurzfristigem Geldbedarf sinnvoller sein, einen Kredit aufzunehmen, als einen Bausparvertrag aufzulösen und damit auf den Zinseszinseffekt zu verzichten.

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