KI zwischen baldiger Superintelligenz und
möglicher Spekulationsblase

InvestStory 20. November 2025, Kurt Prattes

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist brandheiß. Fast 400 Milliarden US-Dollar werden die Big-Tech-Firmen in den USA allein in diesem Jahr darin investieren. Bis 2028 dürften es über 3 Billionen US-Dollar werden.1 Und bis 2030 sollen Schätzungen von McKinsey zufolge sogar 6,7 Billionen US-Dollar weltweit in Rechenzentren fließen.2 Es ist einer der größten Investment-Booms aller Zeiten. Im Gegenzug könnten Software und Dienstleistungen im KI-Bereich so stark an Bedeutung gewinnen, dass sie 2040 ein wirtschaftliches Gesamtpotenzial von 15,5 bis 22,9 Billionen US-Dollar erreichen.3 Der „iPhone-Moment“, als ChatGPT vor drei Jahren veröffentlicht wurde, scheint sich bislang also zu bewahrheiten.

Hinweis: Schätzungen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Entwicklungen

Auf dem Weg zur Superintelligenz?

Bemerkenswert ist, wie rasant sich die KI entwickelt. Zum Vergleich: Das Mooresche Gesetz besagt, dass sich die Rechenleistung von Computerchips über lange Zeit etwa alle zwei Jahre verdoppelte. Inzwischen gilt es zwar nicht mehr.4 Doch dafür gibt es ein neues Gesetz für KI-Agenten. Es besagt, dass diese Systeme in der Softwareentwicklung immer umfangreichere Aufgaben bewältigen können, für die Menschen sonst Sekunden, Minuten oder Stunden brauchen. Die ersetzbare Coding-Dauer verdoppelt sich alle sieben Monate, wie Forscher:innen herausfanden. Setzt sich der Trend fort, könnten die KI-Agenten im Jahr 2027 einen Arbeitstag, 2028 eine Arbeitswoche und 2029 sogar einen Arbeitsmonat ersetzen.5

Doch das ist noch nicht alles. Seit 2024 hat sich der Trend anscheinend beschleunigt. Seitdem verdoppelte sich der Zeithorizont alle vier Monate. Zwar könnte sich die Entwicklung künftig wieder verlangsamen – aber vielleicht auch weiter beschleunigen. Dahinter steckt die Idee, dass eine verbesserte KI für die Entwicklung noch leistungsfähigerer KI immer nützlicher wird. So könnte sie schon bald jeden Menschen übertreffen.5 Die „Superintelligenz“ wäre dann nur noch wenige Jahre entfernt. Das erste Unternehmen, das diese erreicht, könnte riesige Gewinne machen.1 Anschließend wäre ein unvorstellbares Wirtschaftswachstum denkbar, glaubt der ehemalige OpenAI-Forscher Leopold Aschenbrenner.3

Kritiker halten das für Unsinn. So sagt der Tech-Investor Fred Hickey, generative KI sei wahrscheinlich die am meisten überbewertete Technologie, die er in seiner 45-jährigen Karriere erlebt hat.6 Und Robotik-Legende Rodney Brooks argumentiert, dass vieles, was als „zum Greifen nah“ proklamiert wird, in Wahrheit lange dauert. Eine Superintelligenz im Sinne künstlicher allgemeiner Intelligenz sieht er noch ganze 300 Jahre entfernt.Skeptiker und Befürworter der Technologie liegen also weit auseinander. Ganz ähnlich ist es auch, was die damit verbundenen Anlagechancen angeht.

 

Damals vs. heute

In der Börsengeschichte haben technologische Durchbrüche oft zu Blasen geführt, die früher oder später geplatzt sind. Beispiele waren die Eisenbahn, Autos und das Internet. Die KI-Entwicklung ähnelt dabei dem Muster der Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre.8 Damals, im 1. Quartal 2000, hatten die „heißesten“ fünf US-Tech-Aktien einen gemeinsamen Börsenwert von 2 Billionen US-Dollar. Die Marktkapitalisierung des S&P 500 erreichte 124 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts. Dann platzte die Blase. Tech-Aktien verloren rund drei Viertel ihres Werts, der breite Markt büßte etwa die Hälfte ein.9

Einige Anleger:innen befürchten, dass der KI dasselbe droht. Die Marktkapitalisierung des S&P 500 lag Ende Juni 2025 mit mehr als 177 Prozent weit über dem Spitzenwert vor 25 Jahren.9 Die fünf „heißesten“ US-Tech-Aktien waren zuletzt über 18 Billionen US-Dollar wert. Das ist das Neunfache der damaligen Top 5 und fast so viel wie der Börsenwert aller japanischen, indischen, britischen und kanadischen Firmen zusammen.10 The Economist schreibt, dass US-Haushalte zuletzt mit rund 42 Billionen US-Dollar nur am heimischen Markt investiert waren, ausländische Anleger:innen mit etwa 18 Billionen. Würde es zu Kursverlusten wie beim Dotcom-Crash kommen, könnten beide Gruppen insgesamt 23 Billionen US-Dollar einbüßen.9 Laut Gita Gopinath vom Internationalen Währungsfonds wären sogar potenzielle Gesamtverluste von bis zu 35 Billionen US-Dollar denkbar.11

Grafik: Im März 2000 machten die 20 größten Unternehmen im S&P 500 zusammen 39 % des Gesamtwerts im Index aus. Elf davon waren internetbezogene Unternehmen. Heute machen die Top 20 rund 52 % aus, wobei die gleiche Anzahl - elf Unternehmen -  stark in KI investiert ist. 

Was auf eine Blase hindeutet

Fest steht, dass in den Kursen vieler Tech-Unternehmen hohe KI-Erwartungen stecken. OpenAI zum Beispiel - das als Zentrum des KI-Ökosystems gilt - ist zwar noch nicht börsennotiert, weist aber laut Schätzungen bereits eine Bewertung von rund 500 Milliarden US-Dollar auf. Das von Sam Altman geführte Unternehmen gilt als Motor der KI-Ära und hat enge Verflechtungen zu anderen großen KI-Playern. So gab NVIDIA bekannt, bis zu 100 Milliarden US-Dollar in OpenAI zu investieren. Im Gegenzug verpflichtete sich OpenAI, Millionen von NVIDIA-Chips zu kaufen.12 Kurz darauf folgte eine ähnliche Vereinbarung mit AMD. Auch mit Amazon, Microsoft und Oracle gibt es Verflechtungen. Diese Verflechtungen könnten die KI-Entwicklung zwar beschleunigen, bergen jedoch das Risiko, dass bei einem Ausfall eines Unternehmens das Gesamtsystem ins Wanken gerät.13,14 Zudem erinnern derartige zirkuläre Geschäfte an die Internetblase.12

Ein wesentliches Argument der Kritiker betrifft die Frage, wie die gigantischen Investitionen jemals wieder eingespielt werden sollen. Zwar setzen die Tech-Giganten auf Monetarisierungsstrategien wie Cloud-KI-Dienste, API-Lizenzen und branchenspezifische Lösungen, doch die Rentabilitätsaussichten bleibt vage: Die Infrastruktur ist extrem kapitalintensiv, während die Ertragsmodelle noch nicht bewiesen sind. Microsoft betont, dass KI künftig in nahezu alle Office-Produkte integriert wird, um Produktivität zu steigern. Amazon setzt auf KI-gestützte Cloud-Services für Unternehmen und Google setzt KI in Suche und Werbung ein, um höhere Klick- und Abschlussquoten zu erzielen. Ein weiterer Trend sind sogenannte KI-Agenten, die eigenständig Workflows ausführen können – vom automatisierten Kundenservice bis zur Bestandsplanung. KI soll also Texte schreiben, Bilder generieren, Prozesse automatisieren und sogar medizinische Diagnosen unterstützen – doch ob diese Anwendungen die Milliarden-Investitionen rechtfertigen, ist derzeit offen.

Auch bei der Technik gibt es einen Haken. So entfällt mehr als die Hälfte der Investitionen auf Chips und Server, die in wenigen Jahren veraltet sind.1 Rechenzentren verlieren deshalb laut Hedgefonds-Gründer Harris Kupperman doppelt so schnell an Wert, wie sie Erträge generieren können. Kupperman spricht von einer KI-Blase – und vergleicht sie mit der Cannabis-Blase, nur „mit mehr Nullen dahinter“.15 Aus ähnlichen Gründen wettete auch Michael Burry, der im Jahr 2008 den US-Immobiliencrash voraussagte, gegen KI – wenn auch ohne Erfolg. Inzwischen hat er seinen Hedgefonds geschlossen.16 Und der frühere Intel-Chef Pat Gelsinger antwortet auf die Frage, ob wir uns in einer KI-Blase befinden, mit „Natürlich!“. Er fügt allerdings hinzu, dass es noch Jahre dauern könnte, bis sie platzt.17 Das erinnert an ein bekanntes Zitat des früheren Citigroup-Chefs Charles Prince: „Solange die Musik spielt, muss man aufstehen und tanzen.“18

Außerdem ist KI ein Wettrennen. Wer langsam und vorsichtig investiert, wird womöglich abgehängt. Deshalb kann und will es sich kein großer Player leisten, nicht dabei zu sein.1 Also wird immer mehr investiert. Zur Finanzierung zapfen einige Konzerne zunehmend auch den Anleihenmarkt an, nehmen also neue Schulden auf.19 Außerhalb von KI legen die Unternehmensinvestitionen dagegen kaum noch zu.20 Bei den Gewinnerwartungen ist es dasselbe. Abseits der Magnificent 7 stiegen sie seit April nicht mehr an.21 Die US-Konjunktur wird heute so stark von KI angetrieben, dass sie ohne diesen Sondereffekt wahrscheinlich schon in eine Rezession gerutscht wäre.22 Selbst die Europäische Zentralbank warnt inzwischen: Laut Vizepräsident Luis de Guindos könnten überhöhte Bewertungen und die starke Vernetzung weniger Tech-Giganten bei einem massiven Kursrutsch eine Kettenreaktion auslösen und die Finanzstabilität im Euroraum gefährden.23

Was gegen eine Blase spricht

Während einige Beobachter:innen bei KI von der „ultimativen Blase“ sprechen,24 können andere (noch) keine realitätsfernen Übertreibungen erkennen. So sieht der Risikmanagement-Spezialist Kay-Peter Tönnes kein Ende des Booms, sondern erst den Beginn einer technologischen Revolution mit beispiellosem Wachstumstempo. „Sollte es die viel zitierte Super-KI in einigen Jahren tatsächlich geben, wären die heutigen Bewertungen sogar Schnäppchen“, sagte er.25 Auch Howard Marks von Oaktree Capital schließt eine Blase derzeit aus. Sein Argument: Es gibt keine völlige Euphorie am Markt und damit keine klare Übertreibung.17 Denn nur weil der Markt stark konzentriert ist, heißt das nicht, dass es sich um eine Blase handelt.8

Ganz anders war es während der Internetblase. Damals gab es klare Warnsignale, sowohl in der Realwirtschaft als auch an den Märkten. Dazu zählten eine sinkende Profitabilität bei steigender Verschuldung der Unternehmen sowie erhöhte Kreditrisikoaufschläge. Das war zuletzt nicht zu beobachten.26 Stattdessen haben die meisten Magnificent 7 hohe freie Cashflows, kaufen Aktien zurück und zahlen Dividenden.8 Große Player wie Amazon, Google, Microsoft, Meta und Oracle konnten sich also bisher überwiegend aus ihren Cashflows finanzieren.27

Bis zuletzt gab es keine Anzeichen, dass sich der KI-Boom verlangsamt.28 Zwar sind die ganz großen Umsatzbringer noch weit entfernt. Aber erste Use Cases haben sich bereits bewährt. So erzielt etwa Anthropic Claude über 500 Millionen US-Dollar, indem es die Entwicklung von Software-Code unterstützt. Andere Anwendungsbereiche unterscheiden sich nicht grundlegend davon. Die KI könnte sich also in der Breite etablieren und ganze Prozesse automatisieren.27 Auch das Argument schnell veralteter Chips ist umstritten. So könnte die alte Generation im Rahmen eines Hardware-Mix in Cloud-Rechenzentren weiterlaufen. Die großen Hyperscaler Amazon, Oracle, Alphabet und Microsoft machen das schon heute. Auf lange Sicht könnte ein Marktpreis der Cloud-Nutzung entstehen, zu dem sich die heutigen Investitionen tatsächlich rechnen.30

Was Anleger:innen tun könnten

Die grundsätzliche Annahme, dass KI wirtschaftlich wertvoll sein wird, erscheint solide. Die Frage ist nur, ob es die enormen Investitionen rechtfertigt. Einige Expert:innen sehen Parallelen mit dem Technologie-Boom von 1997/1998. Das würde bedeuten, dass es noch viel Potenzial gibt.31 Die KI könnte unsere kühnsten Erwartungen übertreffen. Allerdings ist der Endzustand schwer vorhersehbar. Deshalb sollten auch die Parallelen zur Internetblase nicht übersehen werden. Bislang scheinen sich die Kurse am Aktienmarkt aber nicht von jeglicher Vorstellung eines fundamentalen Werts gelöst zu haben.32 Ohnehin kann man erst von einer Blase sprechen, wenn die gesamten Investitionen höher sind als die potenziellen zukünftigen Cashflows.8 Klar ist aber auch: Selbst, wenn keine Blase entsteht und sich die Technologie durchsetzt, werden nicht alle Firmen, die heute massiv investieren, überleben.1

Anleger:innen müssen also abwägen: Zum einen könnten sie Chancen verpassen, wenn sie nicht oder kaum investiert sind. Zum anderen besteht eine erhebliche Fallhöhe, da neben Tech-Werten wohl auch der breite Aktienmarkt leiden würde, sollte der KI-Boom eines Tages zusammenbrechen. Vorsichtige Anleger:innen könnten deshalb überlegen, breit gestreut zu investieren und eventuell auf Kapitalschutz bzw. Teilschutz zu setzen, um zumindest teilweise an der Wertentwicklung teilzunehmen. Wer dagegen bereits stark investiert ist, könnte das Portfolio auf eventuelle Tech-Übergewichte prüfen und Risiken diversifizieren. Zur Unterstützung dieser Entscheidungen sollten sich Anleger:innen aber lieber nicht auf die KI verlassen – sondern besser auf den menschlichen Berater oder die Beraterin ihres Vertrauens.

Hinweis: Die angeführten Unternehmen sind beispielhaft ausgewählt worden und stellen keine Anlageempfehlung dar. Investitionen bergen neben Chancen auch Risiken.

1Quelle: The Economist; Stand: 11. September 2025
2Quelle: McKinsey; Stand: 28. April 2025
3Quelle: Marketing AI Institute; Stand: 5. November 2024
4Quelle: MIT CSAIL Alliances; Stand: 16. November 2025
5Quelle: AI Digest; Stand: 12. August 2025
6Quelle: Reuters; Stand: 7. November 2025
7Quelle: t3n; Stand: 5. Oktober 2025
8Quelle: Goldman Sachs; Stand: 5. November 2025
9Quelle: The Economist; Stand: 5. November 2025
10Quelle: CompaniesMarketCap; Stand: 14. November 2025
11Quelle: The Economist; Stand: 15. Oktober 2025
12Quelle: Harvard Business Review; Stand: 16. Oktober 2025
13Quelle: Techstartups.com; Stand: 8. Oktober 2025 
14Quelle: J.P. Morgan Market Insights; Stand: 12. November 2025
15Quelle: Praetorian Capital; Stand: 20. August 2025
16Quelle: Capital; Stand: 13. November 2025

17Quelle: CNBC; Stand: 21. Oktober 2025
18Quelle: Reuters; Stand: 8. April 2010
19Quelle: FONDS professionell; Stand: 10. November 2025
20Quelle: Apollo Academy; Stand: 22. Oktober 2025
21Quelle: Apollo Academy; Stand: 17. September 2025
22Quelle: Business Insider; Stand: 12. November 2025
23Quelle: ORF.at; Stand: 17. November 2025
24Quelle: WIRED; Stand: 27. Oktober 2025
25Quelle: FONDS professionell; Stand: 7. November 2025
26Quelle: Business Insider; Stand: 10. November 2025
27Quelle: Apollo Academy; Stand: 27. Oktober 2025
28Quelle: Reuters; Stand: 31. Oktober 2025
29Quelle: Peter Wildeford; Stand: 29. Oktober 2025
30Quelle: aktien Magazin Nr. 42/2025; Stand: 11. November 2025
31Quelle: TradingView; Stand: 10. November 2025
32Quelle: Institutional Money; Stand: 7. November 2025

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Stand: November 2025

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