Der Wunsch, sich in einem guten Licht darzustellen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Dies spiegelt sich nicht nur eindrucksvoll im Kosmetikmarkt wider, sondern lässt sich auch anhand einer Vielzahl gesellschaftlicher, sozialer und interindividueller Verhaltensmuster belegen. Auf den Börsen- und Unternehmensbereich gemünzt, spricht man in diesem Zusammenhang vom sogenannten Window Dressing. Diese Praxis lässt sich – alle Jahre wieder – besonders gut in den letzten Tagen und Wochen des Börsenjahres beobachten. Der Grundgedanke besteht darin, dass zu spezifischen Bilanzstichtagen – vornehmlich bei der Präsentation von Quartals- oder insbesondere Jahresberichten – ein besonders positiver Eindruck nach außen hin vermittelt werden soll. Während Unternehmen dabei ein breites Repertoire wie beispielsweise Umgliederung von Schulden, vorgezogene Verbuchung von Einnahmen oder Verschiebung von Ausgaben zur Verfügung steht, beschränkt sich der Stellhebel bei institutionellen Anleger:innen wie Fonds, Kreditinstituten oder Versicherungen auf die Zusammensetzung ihrer Portfolios.

Konkrete Vorgehensweise

Ziel der Vermögensverwalter:innen ist es, die Gesamtperformance des Portfolios zu steigern. Dazu werden Aktien, die im zu betrachtenden Quartal oder Jahr bereits gut gelaufen sind, neu ins Portfolio gelegt oder nachgekauft. Aktien, die auf der Verliererseite stehen, fliegen hingegen rechtzeitig vor dem Bilanzstichtag aus dem Depot – schließlich möchte man seinen Kund:innen Gewinneraktien präsentieren und gleichzeitig belegen, dass man an Trends und Erfolgsstorys partizipiert hat. In einer Studie aus dem Jahr 2003 haben Ernst Schaumburg und Iwan Meier von der Northwestern University über 4.000 US-amerikanische Aktienfonds im Zeitraum 1997 bis 2002 untersucht und fanden damals „deutliche Hinweise auf einen erhöhten Umsatz in den letzten Tagen des Quartals, was mit Window Dressing übereinstimmt.“1 Damit würde sich im Umkehrschluss zumindest ein Teil der Jahresendrally auch auf das „Aufhübschen von Bilanzen“ zurückführen lassen. Lässt sich dieser Effekt aber heute auch noch beobachten?

Abnehmende Relevanz von Window Dressing

Für langfristig orientierte Anleger:innen ist der Effekt von Window Dressing faktisch vernachlässigbar. Da quartalsweise Anpassungen der Fonds im besten Fall kurzfristig die Rendite steigern und mehr situativen als strategischen Charakter haben, läuft es strenggenommen auf einen Trade-off zwischen temporärem Erfolg und nachhaltigem Vertrauen hinaus. Investor:innen haben sich in den letzten Jahrzehnten emanzipiert und sind viel besser informiert – Stichwort: Internet – so dass kurzlebige Umschichtungen vor Bilanzstichtagen nicht unentdeckt bleiben. Insofern ist es schon aus Plausibilitätsgründen verständlich, dass Window Dressing längst nicht mehr die Bedeutung einnimmt, die es in den 1970er und 1980er-Jahren einmal hatte. Gleichwohl gibt es Trading-Strategien, die sich an Window Dressing orientieren und darauf setzen. Dementsprechend werden zum Jahresende die Highflyer des bisherigen Börsenjahrs gekauft in der Hoffnung, dass die Kurse aufgrund erhöhter Nachfrage von institutioneller Seite steigen und man so eine schnelle Rendite einstreichen kann.

Allerdings gilt auch bei Window Dressing die alte Börsenweisheit „There’s no free lunch“ (nichts ist umsonst). Abgesehen von makroökonomischen Störfeuern, welche den Gesamtmarkt negativ beeinflussen und so Window Dressing überlagern können, besteht auch eine hohe Varianz hinsichtlich der Ausprägung. So lässt sich am Beispiel des DAX für den Zeitraum 2001 bis 2019 festhalten, dass die jeweiligen Top-3-Daxwerte der Monate Jänner bis November nicht automatisch im Monat Dezember besser als der DAX-Durchschnitt reüssierten. Lediglich in vier der betrachteten 19 Jahre konnte eine signifikant bessere Rendite erzielt werden.2 Insofern wird deutlich, dass die praktische Relevanz von Window Dressing zur Erzielung von Zusatzrenditen in vielen Fällen kaum nachweisbar ist.
 

Blackout-Periode als Gegenspieler

Obwohl Unternehmen eine Vielzahl an bilanzkosmetischen Möglichkeiten haben ihre Zahlen ins rechte Licht zu rücken, steht ihnen im entscheidenden Moment das klassische Window Dressing über Käufe eigener Aktien nicht zur Verfügung. Schuld sind sogenannte Handelssperrzeiten (Blackout-Perioden), die in einem Zeitraum um die Veröffentlichung von Quartalszahlen herum bestehen. Damit soll Insiderhandel, basierend auf der Ausnutzung eines Informationsvorsprungs, verhindert werden. Dies geht so weit, dass auch langfristig angelegte Aktienrückkaufprogramme in Blackout-Perioden ausgesetzt werden und erst 48 Stunden nach Bekanntgabe der Unternehmenszahlen wiederaufgenommen werden dürfen.3 Insofern können Blackout-Perioden einen dämpfenden Effekt auf Window Dressing aufweisen, zumindest, wenn von Seiten der Unternehmen Aktienrückkaufprogramme aufgelegt wurden.
 

Fazit

Window Dressing ist besonders für Fonds, die eine Growth-Strategie verfolgen, ein probates und legitimes Mittel ihre Gesamtperformance zu einem bestimmten Stichtag zu verbessern. Anders als viele Youtube-Beiträge suggerieren, unterliegen Kurssteigerungen aufgrund von Window Dressing aber keinem Automatismus und lassen daher auch keine verlässlichen Rückschlüsse zu.

1Quelle: Researchgate; Stand: März 2003
2Quelle: DividendenAdel; Stand: November 2020 /
  Finanzgeschichten; Stand: 29. November 2024
3Quelle: Finanzmarktwelt; Stand: 25. März 2015

Finden Sie Ihr passendes Anlageprodukt

Wichtige rechtliche Hinweise

Hierbei handelt es sich um eine Werbemitteilung und nicht um eine Anlageempfehlung. Diese Werbemitteilung ersetzt somit keine Anlageberatung und berücksichtigt weder die Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen, noch unterliegt sie dem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.

Bitte beachten Sie: Eine Veranlagung in Wertpapiere birgt neben den geschilderten Chancen auch Risiken. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu. Wir dürfen dieses Finanzprodukt weder direkt noch indirekt natürlichen bzw. juristischen Personen anbieten, verkaufen, weiterverkaufen oder liefern, die ihren Wohnsitz bzw. Unternehmenssitz in einem Land haben, in dem dies gesetzlich verboten ist. Wir dürfen in diesem Fall auch keine Produktinformationen anbieten. Dies gilt besonders für die USA sowie "US-Personen" wie sie die Regulation S unter dem Securities Act 1933 in der gültigen Fassung definiert.

Beachten Sie auch unsere Kundeninformation: Informationen über uns und unsere Wertpapierdienstleistungen

Unsere Analysen und Schlussfolgerungen sind genereller Natur und berücksichtigen nicht die persönlichen Merkmale unserer Anleger:innen hinsichtlich der Erfahrungen und Kenntnisse, des Anlageziels, der finanziellen Verhältnisse, der Verlustfähigkeit oder Risikotoleranz.

Interessenkonflikte: Die Erste Group Bank AG ist mit den vermittelnden Sparkassen und der Erste Bank verbunden.

Stand: November 2024

Überblick InvestStories