Wie ein einst verbotenes Instrument die Börsenwelt erobert
Wie ein einst verbotenes Instrument die Börsenwelt erobert
Viele Anleger:innen lieben Dividenden. Für manche gibt es nichts Schöneres, als regelmäßige Ausschüttungen auf ihrem Konto zu sehen. Doch es gibt noch einen anderen, indirekten Weg, Kapital unter die Anteilseigner:innen zu bringen: Über Aktienrückkäufe. Diese müssen vorher genehmigt werden. In den USA und Kanada erfolgt das durch den Vorstand, in Europa und Japan durch die Hauptversammlung. Dann können die Firmen eigene Aktien kaufen, in der Regel direkt am Markt.1 Das verringert die Barmittel und erhöht mechanisch den Gewinn der in Umlauf bleibenden Aktien. Die zurückgekauften Papiere werden als eigene Anteile (Treasury Shares) in den Bilanzen geführt, wobei das Stimm- und Dividendenrecht entfällt, oder gänzlich eingezogen.2
Einst galt dieses Prozedere als Marktmanipulation. Nach dem Crash von 1929 und der nachfolgenden Großen Depression wurden Rückkäufe in den USA durch den Securities Exchange Act von 1934 aufgrund ihrer kurstreibenden Wirkung verboten. Erst ab 1982 waren sie wieder erlaubt. In Deutschland durften eigene Aktien zwischen 1931 und 1998 nur unter starken Restriktionen zurückgekauft werden.2 Vor allem in den USA setzten im Lauf der Zeit immer mehr Unternehmen auf Rückkäufe. Doch erst in den letzten 20 Jahren erlebten sie einen kometenhaften Aufstieg. Das Gesamtvolumen liegt in den USA abseits großer Kurseinbrüche längst höher als die Dividendenzahlungen.
Hunderte Milliarden an Rückkäufen
Im Durchschnitt verwendeten die Unternehmen des S&P 500 seit 2010 etwa die Hälfte ihres Gewinns für Aktienrückkäufe. Im Herbst 2023 waren es nur rund 40 Prozent. Als Grund für die Zurückhaltung nennen Expert:innen unklare Konjunkturaussichten. Sollte die US-Wirtschaft einer ausgeprägten Rezession entgehen, könnten die Unternehmen ihre Rückkaufquoten wieder anheben. Das höchste jemals erzielte Volumen von Rückkäufen der Unternehmen im S&P 500 waren 281 Milliarden US-Dollar im 1. Quartal 2022. Im dritten Quartal 2023 waren es nur 185 Milliarden.3 Anleger:innen dürften in der laufenden US-Berichtssaison neben den Geschäftsergebnissen also auch auf die Ankündigungen von Aktienrückkäufen schauen, die üblicherweise im ersten Halbjahr erfolgen. Expert:innen rechnen damit, dass in den USA im Jahr 2024 Aktien im Gesamtwert von etwa 800 Milliarden US-Dollar zurückgekauft werden.4 Angeführt werden die Rückkäufe meist von Technologietiteln, Finanzwerten und zyklischen Konsumgütern. Angesichts strengerer Eigenkapitalanforderungen mussten große Banken ihre Rückkäufe zuletzt aber reduzieren. Beim Rückkaufvolumen einzelner Firmen liegt Apple auf 10-Jahres-Sicht unangefochten vorn.5 Dahinter folgen Tech-Werte wie Alphabet, Microsoft und Meta sowie Finanztitel wie J.P. Morgan und Visa.3
Aktienrückkauf vs. Dividende
Im Vergleich zu Dividenden haben Aktienrückkäufe den großen Vorteil, dass sie zeitlich befristet vorgenommen werden. Das bietet den Unternehmen eine hohe Flexibilität. Bei Dividenden erwarten Anleger:innen dagegen jahrelange Kontinuität.2 Aktienrückkäufe schwanken aber deshalb auch viel stärker als Dividenden. Vor allem große Kursverluste, etwa in der Finanzkrise von 2008 bis 2009 sowie im Coronajahr 2020, führten zu starken Einbrüchen, während die Dividenden relativ stabil blieben.6 Die Rückkäufe verhalten sich also prozyklisch mit der Börsenentwicklung.
In den USA haben Aktienrückkäufe auch steuerliche Vorteile. Dort werden Dividenden als Einkommen besteuert, Rückkäufe dagegen als Kapitalgewinne beim Verkauf von Anteilen. Das kommt vielen US-Anleger:innen entgegen.6 Und auch den Unternehmen. Sie können Rückkäufe dazu verwenden, die Verwässerung von Aktien zu kompensieren, die bei der aktienbasierten Vergütung von Mitarbeiter:innen auftreten kann. Im Idealfall bleibt die Anzahl der ausstehenden Aktien durch Rückkäufe auf einem konstanten Niveau.7 Der Steuervorteil könnte aber schmelzen. Seit Jänner 2023 sind Rückkäufe in den USA mit einer Steuer von einem Prozent behaftet.2 Bislang verringerte die Steuer das operative Ergebnis der Unternehmen zwar nur marginal. Doch das könnte sich im Falle einer deutlichen Erhöhung ändern.8
Angesichts der Vorteile überholten Aktienrückkäufe in den USA die Dividenden in den letzten zwei Jahrzehnten. In Europa haben Dividenden dagegen immer noch Vorrang.7 Zum Beispiel erreichten Aktienrückkäufe in Deutschland im Jahr 2022 mit nur 17,7 Milliarden Euro ihren höchsten Wert.2 Demgegenüber standen Dividendenzahlungen in Höhe von mehr als 46 Milliarden Euro.9 Ein Grund dafür ist, dass keine steuerlichen Vorteile von Kapitalerträgen aus Kursgewinnen gegenüber Dividenden bestehen, wie es in den USA der Fall ist.10
In Österreich dürfen eigene Aktien nur unter bestimmten Bedingungen erworben werden.11 Einige Unternehmen wie z.B. BAWAG, CA Immo, Wienerberger und Erste Group, die eine Dividende zahlen, kauften 2023 Aktien zurück.12 Diese Kombination könnte Schule machen. Denn so bleiben die Firmen flexibler, was die Ausschüttungen angeht. Gleichzeitig können Anleger:innen bei den Dividenden selbst entscheiden, was sie damit anstellen.
Kritische Stimmen
Allerdings sind Aktienrückkäufe bis heute umstritten. Einige Expert:innen kritisieren, dass dadurch Investitionen gehemmt werden können. Denn die Rückkäufe binden Finanzmittel, die den Unternehmen dann nicht mehr anderweitig zur Verfügung stehen.2 Während der Niedrigzinsphase wurden die Programme oft sogar über günstige Kredite finanziert.10 In Zeiten wieder höherer Zinsen könnte es wichtiger werden, Schulden abzubauen.13 Statt Aktien könnten also ausstehende Anleihen zurückgekauft werden, die unter ihrem Nennbetrag notieren. Das dürfte wirtschaftlich sinnvoll sein.14 Doch davon spricht kaum jemand.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Rückkäufe die Aktienkurse nach oben hin beeinflussen. In den letzten zehn Jahren sollen sie für rund ein Viertel der Kursgewinne verantwortlich gewesen sein.2 Schaut man sich dagegen die Buyback-Indizes auf den MSCI World, S&P 500 oder MSCI Europe an, die nur Firmen mit einer gewissen Aktivität bei Rückkäufen beinhalten, so zeigt sich, dass diese nicht automatisch besser laufen als die marktbreiten Standardindizes.10 Und selbst wenn. Eine Erklärung wäre, dass die Unternehmen mit dem Rückkauf eine Unterbewertung signalisieren, was das Vertrauen der Anleger:innen stärkt und damit auch die Kurse unterstützen dürfte.2 Sogar der sonst eher konservative Warren Buffett bewertet Aktienrückkäufe als sinnvoll, wenn die jeweiligen Papiere unter ihrem inneren Wert handeln.7
Mitunter wird Rückkäufen auch vorgehalten, dass sie eine persönliche Bereicherung von Managern ermöglichen.1 Demnach haben diese einen Anreiz, den Aktienkurs zu erhöhen, wenn ihre erfolgsabhängige Entlohnung daran gekoppelt ist. So könnten Fehlanreize entstehen, bei denen die Manager nicht mehr zum Wohl des Unternehmens handeln, sondern auf kurzfristige Gewinnmaximierung bedacht sind. Eine Untersuchung der US-Aufsichtsbehörde SEC im Jahr 2018 fand heraus, dass Manager 5-Mal so hohe Aktienverkäufe tätigten, nachdem ihr Unternehmen einen Rückkauf ankündigte.15
Eine aktuelle Studie gibt jedoch Entwarnung. Demnach sind die meisten dieser Kritikpunkte weitgehend unbegründet.16 Rückkäufe sind in der Regel harmlos, solange sie am Ende des Wertschöpfungsprozesses als Möglichkeit stehen, die Aktionäre am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Letztlich wird die Sinnhaftigkeit eines Aktienrückkaufprogramms aber bei jedem Unternehmen unterschiedlich sein und muss von Fall zu Fall geprüft werden. Um böse Überraschungen vorzubeugen, sollten sich Anleger:innen deshalb an Unternehmen mit gesunden Bilanzen orientieren, die in unruhigen Zeiten auch wirtschaftlichen Stürmen trotzen können.6
1Quelle: Harvard Law School; Stand: 23. Oktober 2020
2Quelle: Institut für Sozioökonomie; Stand: 12. Mai 2023
3Quelle: S&P Global; Stand: 23. Jänner 2024
4Quelle: Deutsche Bank; Stand: 16. Jänner 2024
5Quelle: Verity; Stand: 5. Jänner 2024
6Quelle: Visual Capitalist; Stand: 1. Dezember 2022
7Quelle: Börse Express; Stand: 29. November 2023
8Quelle: S&P Dow Jones Indices; Stand: 19. Dezember 2023
9Quelle: Statista; Stand: März 2023
10Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung; Stand: 16. November 2023
11Quelle: Finanzmarktaufsichtsbehörde; Stand: 23. Jänner 2024
12Quelle: Handelsblatt; Stand: 31. Juli 2023
13Quelle: Handelsblatt; Stand: 24. Februar 2023
14Quelle: White & Case; Stand: 30. März 2020
15Quelle: SEC; Stand: 11. Juni 2018
16Quelle: MIT Sloan Management Review; Stand: 17. Juli 2023
Finden Sie Ihr passendes Anlageprodukt
Wichtige rechtliche Hinweise
Hierbei handelt es sich um eine Werbemitteilung und nicht um eine Anlageempfehlung. Diese Werbemitteilung ersetzt somit keine Anlageberatung und berücksichtigt weder die Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen, noch unterliegt sie dem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.
Bitte beachten Sie: Eine Veranlagung in Wertpapiere birgt neben den geschilderten Chancen auch Risiken. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu. Wir dürfen dieses Finanzprodukt weder direkt noch indirekt natürlichen bzw. juristischen Personen anbieten, verkaufen, weiterverkaufen oder liefern, die ihren Wohnsitz bzw. Unternehmenssitz in einem Land haben, in dem dies gesetzlich verboten ist. Wir dürfen in diesem Fall auch keine Produktinformationen anbieten. Dies gilt besonders für die USA sowie "US-Personen" wie sie die Regulation S unter dem Securities Act 1933 in der gültigen Fassung definiert.
Beachten Sie auch unsere Kundeninformation: Informationen über uns und unsere Wertpapierdienstleistungen
Unsere Analysen und Schlussfolgerungen sind genereller Natur und berücksichtigen nicht die persönlichen Merkmale unserer Anleger:innen hinsichtlich der Erfahrungen und Kenntnisse, des Anlageziels, der finanziellen Verhältnisse, der Verlustfähigkeit oder Risikotoleranz.
Interessenkonflikte: Die Erste Group Bank AG ist mit den vermittelnden Sparkassen und der Erste Bank verbunden.
Stand: Jänner 2024