"Ich liebe Kiew, aber Wien ist zur
zweiten Heimat geworden."

Die #glaubandich Geschichte von Iryna Novak

    

Iryna Novak kam wenige Monate, nachdem sie ihre Heimat in der Ukraine verlassen hatte und mit ihren beiden Töchtern in Wien angekommen war, zum Team von Risk Reporting & Analytics der Erste Group. Als Mathematikerin, Universitätsprofessorin und Unternehmerin hat sie es geschafft, sich in Österreich ein neues Leben aufzubauen und neue Freunde zu finden. Jetzt lernt sie Deutsch, macht sich mit ihrem neuen Job vertraut, vermisst ihren Mann sehr und sehnt den Moment herbei, an dem die Ukraine den Krieg gewinnt.

 

Wie war der 24. Februar 2022 für Sie?

Ich habe nicht wirklich geglaubt, dass es einen Krieg in der Ukraine geben könnte, bis ich erlebt habe, wie die ersten Bomben in meiner Heimatstadt Kiew einschlugen. Mein Mann war viel besser auf die Situation vorbereitet. Am 24. Februar letzten Jahres, während ich eine Torte für seinen Geburtstag vorbereitete, packte er alles ein, was wir brauchen könnten, und wir verließen mit unseren beiden Töchtern das Haus, um in den Westen der Ukraine und in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen.

An diesem Tag habe ich aufgehört, Kaffee zu trinken, was ein großer Verzicht für mich war. Ich werde meine erste Tasse Kaffee erst wieder trinken, wenn wir den Sieg der Ukraine feiern.

Sie sind also nicht gleich nach Wien gegangen?

Nein. Nach dem ersten Kriegsmonat waren mein Mann und ich uns einig, dass ich mit den Mädchen das Land verlassen musste und er in der Ukraine bleiben würde. Dieser Monat war für die Kinder extrem belastend, und meine achtjährige Tochter wurde ohne Schule und ihrem normalen Tagesablauf sehr ängstlich und nervös. Glücklicherweise erzählten uns Freunde, dass sie in Wien eine Wohnung für uns hätten. Für mich war die Entscheidung, meinen Mann zurückzulassen, sehr schwer: Seit wir zusammen sind, waren wir noch nie länger als ein paar Tage getrennt. Aber wir wussten beide, dass unsere Mädchen Priorität hatten und wir alles tun mussten, damit wir unser Leben so normal wie möglich führen konnten.
 

War es schwierig, in Wien einen Job zu finden?

Ich bin Doktorin der Mathematik und war Leiterin meiner eigenen Privatschule, wo ich Mathematik und Physik unterrichtet habe. Außerdem war ich als Forscherin und Professorin für Mathematik an der Nationalen Technischen Universität der Ukraine in Kiew tätig. Also suchte ich einen intellektuell fordernden und anregenden Job. Ohne Deutschkenntnisse war das schwierig. Also habe ich mich zunächst darauf konzentriert, Deutsch zu lernen. Dann schickte ich meinen Lebenslauf an die Erste und wurde sofort zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Zur zweiten Vorstellungsrunde musste ich meine Mädchen mitnehmen, da die Babysitter:in in letzter Minute abgesagt hatte. Der Personalverantwortliche, der das Gespräch mit mir führte, war sehr verständnisvoll. Er gab meinen Töchtern Spielzeug, Stifte und Papier zur Beschäftigung. So hatten wir genug Zeit für das Vorstellungsgespräch – und ich bekam die Stelle!

Wie gefällt Ihnen die Arbeit in einer Bank?

Ich habe sechs Jahre in der Kreditabteilung einer Bank in der Ukraine gearbeitet, bevor ich mich ganz auf meine Forschungs- und Lehrtätigkeit konzentriert habe. Das hat mir am Anfang geholfen. Aber mein Aufgabenbereich in diesem Job ist trotzdem ganz anders – jetzt erstelle und analysiere ich Konzernberichte. Mich mit all den verschiedenen IT-Systemen vertraut zu machen, ist eine Herausforderung, aber meine Kolleginnen und Kollegen sind sehr hilfsbereit. Ich wollte eine Herausforderung, und ich habe sie bekommen! Ich habe das Gefühl, dass ich durch die Arbeit im Team eine Perspektive habe, und das hilft mir sehr. Jetzt ist mein Ziel, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu lernen, damit ich noch mehr zu meinem Team beitragen kann.

 

Wenn Sie auf das vergangene Jahr zurückblicken, hat sich Ihr Leben doch sehr verändert…

Absolut. Früher habe ich jeden Schritt geplant – jetzt weiß ich, dass wir nur von einem Tag auf den nächsten leben können. Ich habe gelernt, zu akzeptieren, was das Leben bringt. Egal, was passiert, wir müssen uns um unsere Lieben kümmern und immer an uns selbst glauben. Ich bin froh, hier in Wien sein zu können – es ist eine wunderschöne, entspannte Stadt!
 

In der Zwischenzeit hat meine ältere Tochter schon ganz gut Deutsch gelernt und ist gerade von ihrer Integrationsklasse in eine österreichische Schule gewechselt. In ihrer Freizeit ist sie mit Gymnastik und Schachunterricht beschäftigt. Meine jüngere Tochter geht mittlerweile schon in den Kindergarten. Ich bin dankbar, dass ich einen interessanten Job und tolle Kolleginnen und Kollegen habe. Meine Mädchen und ich haben hier in Wien schon einen festen Tagesablauf!

Ich möchte mich mehr in die Bank integrieren, Wien besser kennen lernen und weiter an meinen Deutschkenntnissen arbeiten. Was die Zukunft bringen wird, weiß ich nicht. Ich habe mein Leben in Kiew geliebt, aber ich bin auch mit meinem Leben in Wien zufrieden. Eines aber ist gewiss: Ich möchte, dass meine Familie wieder vereint ist und dass mein Land in Frieden leben kann.

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