05.06.2024

KMU-Studie Vorarlberg 2024:

Heimischer Mittelstand trotzt herausforderndem Umfeld

99,8 Prozent der Vorarlberger Betriebe sind Klein- und Mittelunternehmen - kurz KMU. Sie beschäftigen fast 70 Prozent der Arbeitnehmer:innen im Ländle (Quelle: WKO). Das aktuelle Wirtschaftsumfeld stellt die heimischen KMU allerdings vor zahlreiche Herausforderungen. Trotzdem blickt der überwiegende Teil von ihnen optimistisch in die Zukunft. Das zeigt eine repräsentative IMAS-Studie im Auftrag von Erste Bank und Sparkassen.

Zwei von drei heimischen Klein- und Mittelunternehmen (65 %) blicken optimistisch in die nahe Zukunft. 2022 waren es allerdings noch 81 Prozent, 2020 80 Prozent. Wenig überraschend, wie Martin Jäger, Sprecher der Vorarlberger Sparkassen, aus vielen Gesprächen mit Ländle-Betrieben weiß: „Die Unternehmen spüren die Nachwirkungen der Krisen der vergangenen Jahre. In Kombination mit dem Arbeitskräftemangel stellt das viele vor Herausforderungen.“ Tatsächlich geben 68 Prozent der befragten Unternehmen an, dass das Marktumfeld für ihr Unternehmen in den letzten zwei bis drei Jahren schwieriger geworden sei. Als Hauptgründe werden Preissteigerungen, erhöhte Online-Konkurrenz sowie damit einhergehender Preisdruck, die schlechte Auftragslage und der Arbeitskräftemangel genannt. Für rund ein Drittel der Vorarlberger Klein- und Mittelbetriebe (29 %) ist das Marktumfeld hingegen vergleichbar geblieben, drei Prozent sehen eine positive Entwicklung.

Gut kapitalisiert für die Aufgaben von morgen
Mit Blick in die Zukunft gehen 86 Prozent der Vorarlberger KMU davon aus, von steigenden regulatorischen Anforderungen und Bürokratie betroffen zu sein. Mehr als ein Drittel (64 %) sieht sich auch in Zukunft durch Arbeits- und Fachkräftemangel beeinträchtigt. Herausforderungen orten die Betriebe auch weiterhin in den gestiegenen Finanzierungskosten. Zumindest in dieser Hinsicht hofft Jäger auf baldige Besserung: „Wir erwarten in der Juni-Sitzung der EZB eine erste Zinssenkung und – abhängig von der Inflationsentwicklung – weitere Zinssenkungen in diesem Jahr.“ Darüber hinaus geben 66 Prozent der Befragten Digitalisierung als Herausforderung für die nächsten zwei bis drei Jahre an.

Dem abgekühlten Wirtschaftsumfelds und vielfältigen Herausforderungen zum Trotz bleibt der Mittelstand dank seiner guten Eigenkapitalausstattung resilient. „Auch in Vorarlberg konnten viele Unternehmen während der letzten Jahre ihre Kapitalbasis nachhaltig stärken und stehen heute auf sehr gesunden Beinen. Das macht sie einerseits widerstandsfähiger und ermöglicht andererseits Investitionen in ihre Zukunft“, betont der Sprecher der Vorarlberger Sparkassen. Dies unterstreichen auch Daten von Statista: Über die letzten zehn Jahre ist der Anteil der österreichischen KMU mit einem Eigenkapitalanteil von über 30 Prozent von 33 auf 39 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl jener, die über weniger als 10 Prozent Eigenmittel verfügen von 22 auf 19 Prozent zurückgegangen.

Dauerbrenner Digitalisierung
Spätestens mit der Pandemie rangiert Digitalisierung auf der Prioritätenliste der Vorarlberger Unternehmen ganz weit oben. Noch im Jahr 2017 hielten 74 Prozent das Thema für „wichtig“ oder „ziemlich wichtig“. Jetzt räumen ihm bereits 80 Prozent hohe Priorität ein. „Digitalisierung ist aus unseren Leben und den Unternehmen schon länger nicht mehr wegzudenken. Die Pandemie wirkte zusätzlich als Katalysator und mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind wir schon mitten im nächsten Megatrend“, so Martin Jäger. Immerhin hat, laut Umfrage, bereits jedes vierte KMU in Vorarlberg KI im Einsatz hat. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten reichen hier von maschineller Übersetzung oder vorausschauender Wartung über Roboter in der Produktion bis hin zu Kundendienst-Chatbots.

Financial Health Prototype
Auch die Sparkassen haben KI-Anwendungen im Einsatz. Unter anderem können Unternehmenskunden das Online Banking George Business mit Yokoy erweitern, einer KI-gesteuerten Komplettlösung für das Ausgabenmanagement in mittelständischen Unternehmen. Ein anderes Beispiel: Der Financial Health Prototype wurde als Finanz-KI zur spielerischen und leicht verständlichen Vermittlung von Finanzwissen entwickelt. „Es kommt ein hoch entwickelter, textbasierter Chatbot zum Einsatz, der natürliche Sprache nutzt. Dafür wurden Inhalte aus sämtlichen Webseiten, Publikationen und Wissensunterlagen unserer Bankengruppe in eine digitale Wissensdatenbank eingespeist und als Grundlage herangezogen“, berichtet Lothar Kündig, Digitalisierungsexperte der Vorarlberger Sparkassen: „Die Datenbank umfasst über 3.400 Einträge, die mit KI-Technologie von OpenAI und ChatGPT einfach zugänglich wurden.“ Konversationen aus dem Financial Health Prototype werden von der Bankengruppe inhaltlich nicht ausgewertet. Lothar Kündig bekräftigt: „Die Finanz-KI ist nicht mit dem Bankensystem verbunden, Kundendaten werden darin nicht verarbeitet.“

Sicherheit hat Vorrang
Die fortschreitende Digitalisierung bringt mit sich, dass auch KMUs immer häufiger ins Visier von Cyberkriminellen geraten. Der IT-Experte warnt: „So mancher Mittelständler nimmt die Gefahr auf die leichte Schulter und schützt Daten wie Prozesse zu wenig. Doch Hacker schlagen unabhängig von der Unternehmensgröße zu. Wir empfehlen vor allem auch die Sensibilisierung der Mitarbeitenden, die durch richtiges Verhalten Schaden abwenden können. Auch bei uns haben sich Phishing Simulationen als besonders effektiv erwiesen, die Fehlentscheidungen unmittelbar aufdecken und gefahrlos Lernen ermöglichen“, ergänzt Kündig.

Zur Studie: Erste Bank und Sparkassen beauftragten das Meinungsforschungsinstitut IMAS mit der Durchführung einer Umfrage unter Österreichs Klein- und Mittelunternehmen. Die Studie wurde von 9. Jänner bis 16 Februar 2024 telefonisch mithilfe des CATI-Systems (Computer Assisted Telephone Interviewing) durchgeführt. Die Befragung ist repräsentativ für KMU in Österreich. Befragt wurden in erster Linie Geschäftsführer:innen (ansonsten kaufmännische Direktor:innen oder Finanzchef:innen). Bei Fragen, die in der Vergangenheit vergleichbar gestellt wurden, sind Vergleich zu den Studien vom April/Juni 2022, März 2020 beziehungsweise April 2017 möglich. Insgesamt wurden 900 Interviews mit KMU (2 – 50 Millionen Euro Jahresumsatz) in ganz Österreich geführt.